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Zwei Dollar für zwei Säcke Altgeld

Im letzten Jahr führte Ecuador den Dollar als offizielle Währung ein, doch viele wissen nicht, was er wert ist. Trotz der „harten“ Währung steigt die Inflation weiter. Regierung sucht mit Krediten und Exporterlösen des Währungschaos Herr zu werden

aus Quito KATHARINA KOUFEN

Was kostet eine Cola? „Einen Dollar“, sagt die Verkäuferin in einem Tante-Emma-Laden irgendwo in einem kleinen Andendorf. Ein Dollar, das klingt griffig, ist leicht zu multiplizieren und kann ja nicht so viel sein, denkt sich die Frau. Ist es aber, wenn man bedenkt, dass die Cola vor zwei Jahren noch für 2.000 Sucre zu haben war. Heute steht der Dollarkurs bei 1 zu 25.000.

Derart willkürlich festgesetzte Preise sind in Ecuador derzeit gang und gäbe. Vor allem auf dem Land haben die wenigsten eine Ahnung, was es mit der Dollarisierung auf sich hat. Laut Umfragen hat nur etwa jeder sechste Ecuadorianer schon einmal einen Dollarschein in der Hand gehabt. Europäer, die zu Hause teure Dollarnoten kaufen, schlackern mit den Ohren: Ecuadors Preise haben zum Teil US-Niveau erreicht. 5 Dollar für ein Abendessen in einem Quitoer Restaurant sind normal. 1,20 Dollar für eine Flasche Aji, die typische scharfe Soße, die zum Essen dazugehört, keine Seltenheit.

Unbezahlbar für die meisten Ecuadorianer. Jeder Dritte lebt in absoluter Armut. „Mit der Einführung des Dollars haben sich die Lebenshaltungskosten verfünffacht“, sagt Vilma Salgado, Wirtschaftsprofessorin an der Uni Quito. „Außerdem verliert Ecuador an Wettbewerbsfähigkeit.“ Zu Zeiten des Sucre waren ecuadorianische Produkte im Ausland billig. Nun kann das Land nicht mehr mit den südamerikanischen Nachbarn mithalten. Salgado: „Die Folgen sind Entlassungen und sinkende Reallöhne.“

Zu allem Überfluss leidet die Bevölkerung unter einem Reformpaket, das der Internationale Währungsfonds (IWF) für Ecuador entworfen hat. Im Gegenzug gewährte der Fonds dem Land einen Stand-by-Kredit von rund 300 Millionen Dollar, um Ecuador wenigstens kurzfristig vor der Zahlungsunfähigkeit zu retten, denn die Regierung hatte bereits Ende 1999 einen Teil ihres Schuldendienstes ausgesetzt. Langfristig allerdings wächst damit der Schuldenberg noch mehr. Schon letztes Jahr floss die Hälfte des gesamten Staatshaushalts in den Schuldendienst.

Zum IWF-Reformpaket gehört die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 Prozent. „Das trifft vor allem die Armen, die ihr gesamtes Einkommen für Grundbedürfnisse ausgeben“, kritisiert Salgado. Auch verlangte der IWF, sämtliche Subventionen für Gas und Benzin zu streichen. Die Folge: Kochen, Heizen, Auto- und Busfahren wurden über Nacht doppelt so teuer. Vor allem die höheren Gaspreise riefen einen derarten Sturm der Entrüstung hervor, dass die Regierung die Subventionen bereits wieder eingeführt hat.

Der Dollar sollte die Inflation bremsen. Im letzten Jahr aber stiegen die Preise um 90 Prozent. Dafür hat die ecuadorianische Zentralbank nun das Zepter aus der Hand gegeben: Geldnoten können nicht mehr im Land gedruckt werden, sondern müssen von ausländischen Investoren kommen. „Ein fataler Fehler“, meint der Ökonom Patrizio Pazmiño Freire. „Jetzt ist das Land auf Devisen angewiesen. Und wer außer dem IWF gibt schon einem Land, pleite wie Ecuador, Kredite?“

Umso wichtiger sind Exporteinnahmen. Erst letzte Woche gab die Regierung grünes Licht für den Bau einer Erdölpipeline, gegen die Umweltschützer schon seit langem protestieren. Der Großteil des Erdöls soll exportiert werden. 80 Prozent des Erlöses aber werden für Zinsen und Tilgungsraten an die ausländischen Gläubiger transferiert.

Dafür sollen die Ecuadorianer nun ihre Sucre-Ersparnisse opfern? Letzte Woche lief nach Verlängerung die Umtauschfrist ab. Vor der Zentralbank in Quito, wo die Menschen über eine Stunde Schlange stehen mussten, herrschten am Freitag Frust und Aufregung. Manche waren mit ganzen Beuteln von Sucre-Münzen meilenweit in die Hauptstadt gereist. „Mein Mann hat mir erst gestern erzählt, dass er noch Ersparnisse hat“, sagt eine alte Frau. Weil er bettlägerig ist, fuhr sie zur Bank. „Für nichts und wieder nichts. Früher war der Sucre mal was wert. Heute hat man mir für meine zwei Säcke Geld gerade noch zwei Dollar gegeben.“

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