PDS WILL SICH NICHT FÜR MAUERBAU ENTSCHULDIGEN – EINE REIFE LEISTUNG: Schlacht um Symbole
Es vergeht kaum ein Tag ohne die Notwendigkeit, sich zu entschuldigen. Wenn man als Fahrradfahrer ein bisschen dreist die Einbahnstraße ignoriert – und dem Gegenverkehr in die Quere kommt; wenn man mit dem Kaffeebecher durchs Büro stürmt – und die Papiere des Kollegen durchnässt. Am Ende heißt es meistens: „Entschuldigung!“ Und gemeint ist: „Schwamm drüber.“ Was will der andere noch? Man hat doch alles zugegeben! Also ist Absolution angebracht.
Sich zu entschuldigen kann ein so billiger Ausweg sein – der billigste überhaupt. Und genau dieser Verdacht kam auf, als sich die PDS zum ersten Mal entschuldigte. Das war im April, als Gabi Zimmer und Petra Pau die Zwangsvereinigung von KPD und SPD vor 55 Jahren bedauerten. Bei wem sie sich eigentlich genau entschuldigten – das ist jedoch unklar. Und ob sie die Richtigen für diesen Akt waren, auch. Schließlich gab es Zimmer und Pau 1946 noch gar nicht. So blieb ein taktisches Misstrauen zurück: Aha, die PDS will sich nur billig ihrer Vergangenheit entledigen.
Man könnte fast meinen, die Partei hätte in den letzten zwei Monaten dazugelernt: Diesmal nämlich verweigert die PDS eine Entschuldigung – für den Mauerbau. „Entschuldigungen beenden Debatten, die geführt werden müssen“, so die Selbsterkenntnis. Stattdessen wollen sich die SED-Nachfolger weiter mit der eigenen Vergangenheit auseinander setzen – und so verhindern, dass sie noch einmal die Demokratie dem Sozialismus opfern, dass noch einmal Menschen zu Tode kommen.
Man kann nur hoffen, dass so viel Reife die Konkurrenten nicht überfordert. FDP und CDU reagieren schon mit dem bekannten Reflex: Was, die PDS will keine Entschuldigung abliefern? Na, dann verlangen wir aber eine. Alles andere wäre „ein Schlag ins Gesicht der Westberliner“ (Rexrodt). Eine Schlacht um Symbole ist also abzusehen. Nicht unwahrscheinlich, dass sich die PDS am Ende tatsächlich entschuldigt. Nur um endlich Ruhe zu haben. Ruhe wäre dann aber auch in der Debatte über die deutsch-deutsche Vergangenheit.
ULRIKE HERRMANN
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