: Bouteflika, ein Esel als Präsident
Als Abdelaziz Bouteflika 1999 Algeriens Staatschef wurde, wollte er hoch hinaus. Heute steht Algerien in Flammen
Die spitze Feder von Dilem trifft es am besten. „Atika möchte das Loft nicht verlassen“, titelte der Zeichner der algerischen Tageszeitung Liberté vor ein paar Tagen. „Loft“ heißt in Frankreich die TV-Reality-Show, die bei uns als „Big Brother“ bekannt ist. „Atika“ ist der Spitzname des algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika. Als Option der Armee vor zwei Jahren durch Wahlen, bei denen alle Oppositionskandidaten geschlossen zurücktraten, an die Macht gepuscht, verstrickt sich Bouteflika heute immer mehr in die Widersprüche und Probleme seines Landes.
Bouteflika wollte Algerien, als er vor zwei Jahren an die Macht kam, „den angestammten Platz unter den Nationen“ zurückgeben. Er versuchte an den populären „Boutef“ anzuknüpfen, der in den 70er-Jahren als junger Minister mit langem Haar, Schlaghosen und Plateauschuhen die Blockfreien anführte. Aber er ist auf der ganzen Linie gescheitert.
Er verkündete die Versöhnung mit den Islamisten – aber noch immer werden fast täglich Menschen von radikalen bewaffneten Gruppen massakriert. Zwar legte der bewaffnete Arm der verbotenen Islamischen Heilsfront (FIS) die Waffen nieder, doch eine Wiederzulassung der Islamisten auf der politischen Bühne konnte Bouteflika gegen den Widerstand eines Teils der Armee nicht durchsetzen. Auch die Gegner der Aussöhnungspolitik legen dies dem Staatschef als Schwäche aus.
Und während er das eine Problem nicht lösen kann, schafft er neue. Die Unruhen in der Kabylei, die am 18. April begannen, als die Gendarmerie in Beni Douala einen Gymnasiasten auf der Wache erschoss, greifen seit dieser Woche auf das ganze Land über. Kemchela, Ain Fakroun und Skida im Osten des Landes, Dirah im Süden und selbst Ain Benian, ein Ort nur fünf Autominuten vom Club des Pins, dem algerischen Wandlitz, entfernt sind die Schauplätze immer neuer Auseinandersetzungen. Rund 100 Tote und knapp 2.000 Verletzte zählt die Opposition mittlerweile.
Die Schüsse am Donnerstag in der Hauptstadt auf die größte Demonstration, die Algerien je gesehen hat, waren der endgültige Sündenfall des unbeliebten Präsidenten. Seit seinem Amtsantritt war Bouteflika mehr auf Reisen als im Präsidentenpalast in Algier. Selbst angesichts größter Probleme tritt das Kabinett oft wochenlang nicht zusammen. „Boutef in Algerien: Er musste auf der Reise von Kairo nach Moskau in Algier zwischenlanden“, fasst Dilem die Kritik der Algerier in einer Karikatur zusammen.
Auf einem solchen Zwischenstopp scheint der Staatschef auch von den Unruhen in der Kabylei erfahren zu haben. Denn er trat erst über zwei Wochen nach dem Ausbruch der Gewalt vor die Nation. Die jugendlichen Demonstraten, die da bereits mehrere Dutzend ihrer Mitstreiter zu Grabe getragen hatten, wollten von seinen beschwichtigenden Worten nichts mehr wissen. „Wir haben die Schnauze voll von diesem Regime“ und „Kein Pardon“ schreien sie – bis heute.
„Boutesrika“ – Vater der Diebe – sprühten die Jugendlichen in der Berberhauptstadt Tizi Ouzou vor zwei Jahren im Wahlkampf an die Wände. Bilder eines Esels mit dem Kopf des Präsidenten führen sie heute auf den Märschen mit sich. Tiefer kann ein Staatschef kaum fallen. Die Wende wollte Bouteflika einleiten. Er hatte sich das sicher anders vorgestellt. REINER WANDLER
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