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Die Geburt der Musikliebe unter dem Konzertflügel

■ Lilian von Haußen spielt am Mittwoch neue und alte Musik auf Blockflöte, Klavier und Körpertrommel

Die 31-jährige Lilian von Haußen kommt aus einem künstlerischen Elternhaus: Die Großmutter der Blockflötistin war Pianistin und Opernsängerin, die Mutter Kostüm- und Bühnenbildnerin, der Vater Architekt. Als dreijähriges Kind lebte sie ein Jahr bei ihrer Großmutter, und „das hat mich wirklich geprägt“, erzählt Lilian. „Ich weiß noch heute, dass ich immer unter dem Flügel saß und vom Zuhören gar nicht genug kriegen konnte.“ Mit acht Jahren erhält sie eine Flöte, weil sie von einem Vivaldi-Konzert mit Frans Brüggen ganz begeistert war und spielt drei Monate später ein Konzert. Die Großmutter gibt mit ihr Konzerte, übt mit ihr dreimal die Woche barocke Stücke ein. Als Zwang oder Druck hat Lilian das nie empfunden, im Gegenteil: „Proben war erwachsen sein, und das war einfach toll.“

Als sie mit zwölf zu einem Professor Strebe kommt, hat sie kaum Freunde, nur die Oma und ihre Flöte. „Ich wollte das so.“ Der schnelle Erfolg blieb nicht aus, von Anfang an gewinnt sie jeden Wettbewerb bei „Jugend musiziert“. „Ich kann mich noch gut erinnern, wie enttäuscht ich war, dass es den anderen gar nicht um die Musik ging. Die redeten über ihre Schleifchen am Kleid.“

Dann studiert sie in Frankfurt bei Michael Schneider, der aus ihr eine Solistin machen wollte, ihr aber geht es nur um Ensemble-Musik. Und sie gerät in eine erste künstlerische Krise, als sie trotz sechs bis sieben Stunden üben pro Tag immer schlechter spielt. Und ihre Mutter hält sie an: „Du musst erfolgreich sein.“ „Da habe ich mein Studium abgebrochen und gesagt: Nie wieder Blockflöte.“

Sie besucht drei Jahre eine anthroposophische Bewegungstheaterschule im Tessin, wo Akrobatik, Improvisation, Tanz und stummes Theater die Hauptfächer sind und sich hauptsächlich angehende Straßentheaterspieler und Clowns tummeln. Abends packt sie ihre Flöte wieder aus, spielt, gibt Konzerte, bis die Lehrer ihr sagen: „Du musst dich entscheiden, Tanz oder Musik.“ Eine Tanzbewerbung in Arnheim macht sie nur noch mit halbem Herzen, weil ein Traum wahr wird, wie sie sagt: Der niederländische Flötist Han Tol nimmt sie in Bremen auf.

Neue und alte Musik gleichzeitig spielt sie von Anfang an: „Für mich ist egal, ob die Musik alt oder neu ist. Mich interessiert nur, was sie in mir bewirkt.“ Sie sucht körperliche und instrumentale Grenzen, was auch ihr Konzert morgen Abend in der Galerie Katrin Rabus auszeichnet.

Wichtig geworden ist die Gründung eines Consort-Ensembles, jener englischen Musizierform aus dem 16. und 17. Jahrhundert mit vier bis sechs SpielerInnen in England: „Consortdenken repräsentiert nichts, ist Verflechtung, aber man muss extrem da sein.“ So versteht sie auch die Neue Musik als Consort, die sie hauptsächlich im Improvisations-Ensemble X-Pol praktiziert. An den Musikhochschulen von Trossingen und Graz hat Lilian von Haußen schon Kurse gegeben und erzählt, dass sie „wahnsinnig gern“ unterrichtet. usl

Lilian von Haußen gibt anlässlich des 15. Geburtstags der taz bremen am Mittwoch, 20. Juni, um 20 Uhr in der Galerie Katrin Rabus, Plantage 13, ein Konzert für Blockflöte, Klavier und Körpertrommel.

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