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Krötenfressen fällt aus: Landespflegegeld bleibt erhalten

■ Als nichts mehr ging, ging plötzlich doch noch was / CDU-Sinneswandel lässt SPD-Sozialsenatorin umlenken

„Eine Kröte“ wollte die Sozial-Senatorin Hilde Adolf (SPD) mit der Abschaffung des Landespflegegeldes (die taz berichtete) schlucken. Die Krötenmahlzeit muss nun ausfallen. Gestern Morgen gab die Senatorin bekannt, dass sie am Wochenende in letzter Minute einen Kompromiss mit den Behinderten- und Blindenverbänden ausgehandelt hatte. Das einkommensunabhängige Landespflegegeld bleibt erhalten, wird aber um 100 Mark auf 650 Mark gekürzt.

Ein Krötchen schlucken die 750 derzeitigen BezieherInnen des Landespflegegeldes. 90 Prozent sind nach Angaben der Behörde Blinde. Für sie und die berechtigten Schwerstbehinderten hätte Besitzstandswahrung gegolten, das heißt, sie wären nicht von der Streichung betroffen gewesen. Willi Winkelmeier vom Verein „Selbstbestimmt Leben“ ist über den ausgehandelten Kompromiss „erleichtert, aber nicht glücklich“. Der solidarische Akt, den die Verbände ihren Mitgliedern damit ans Herz gelegt haben, sei möglicherweise nicht allen Landespflegegeld-BezieherInnen schmackhaft zu machen. Die Politik habe sich aber in eine solche „Starre geritten“ und die Lage sei so aussichtslos erschienen, dass er froh war, als sich doch noch etwas bewegte.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte der Bremer CDU-Parteivorsitzende Bernd Neumann. Letzten Freitag ließ er plötzlich sein Unbehagen über die vereinbarte Streichung verkünden. Es sei „unerträglich, dass Blinde sich künftig in die Schlange der Sozialhilfe-bezieher einreihen sollten“. Der Beschluss ist seit Herbst bekannt, war längst von Senat und Sozialdeputation abgesegnet und sollte morgen von der Bürgerschaft auf den Weg gebracht werden. Adolf reagierte prompt auf den Sinneswandel des CDU-Chefs und kasperte den Deal heute Morgen mit der CDU ab. Sie kritisierte Neumanns Politik, erst im letzten Moment den „guten Menschen in sich zu entdecken“. Dieser Stil zeuge nicht von einem „verlässlichen Koalitionspartner“.

„Wir hatten die Einsicht, dass der politische Schaden größer sein würde als die erhoffte Einsparung“, sagt der CDU-Fraktions-vorsitzende Jens Eckhoff. Er räumt ein, dass es eine späte Einsicht gewesen sei. Den politischen Spitzen sei nicht klar gewesen, wie groß der bundesweite Protest sein würde. Am vorletzten Wochenende hatten 4.000 Blinde und Sehbehinderte aus ganz Deutschland in Bremen demonstriert, weil sie nach dem Bremer Vorstoß eine Abschaffung des Landespflegegeldes auch in den anderen Ländern befürchteten. Allerdings dürfe nicht der Eindruck entstehen, man müsse nur genügend protestieren, dann würden Senatsbeschlüsse zurückgenommen, so Eckhoff. Adolf fordert nun den Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) auf, die mittelfris-tige Finanzplanung zu überarbeiten, damit die Erhaltung des Landespflegegeldes nicht zu Sparmaßnahmen in anderen Bereichen des Sozialsenats zwingt. ei

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