UNGEWÖHNLICH, ABER RICHTIG: ARGENTINIEN BINDET PESO AN DEN EURO: Die Dollarisierungs-Falle
Weit weg von zu Hause erfährt der Euro jetzt doch ein bisschen Liebe: Ausgerechnet der Vater der Dollarisierung, Argentiniens Wirtschaftsminister Domingo Cavallo, setzt seit neuestem auf die unterbewertete europäische Gemeinschaftswährung. Sie soll gemeinsam mit dem Dollar, vereint in einem „Währungskorb“, die Stabilität des argentinischen Peso garantieren. Eine kluge Idee: Denn die Dollar-Koppelung, die seit zehn Jahren als Rettungsanker für den inflationsgeplagten Peso dienen soll, erweist sich immer mehr als Falle; die Bindung an nur eine Volkswirtschaft ist viel zu riskant.
Problem Nummer eins: Die argentinische Zentralbank darf selbst kein Geld mehr drucken, sondern ist auf Dollar-Zuflüsse angewiesen. Die stammen idealerweise aus Exporterlösen. Mit der Einführung des Dollar hat Argentinien sich aber geldpolitisch an ein Land gekoppelt, das seit zehn Jahren boomt. Folglich ist der Dollar stark, die USA sind teuer – und Argentinien ist es auch. Die Exporterlöse gehen zurück. Bleibt die Möglichkeit, Schulden zu machen. Die hat Argentinien auch zur Genüge ausgeschöpft: Auf 200 Milliarden Dollar belaufen sich die Auslandsschulden, das Land steht kurz vor der Zahlungsunfähigkeit und versucht, sich mit einer Mega-Umschuldung wenigstens für ein paar Jahre zu retten. Langfristig ist das auch keine Lösung: Umschuldungen führen letztlich nur dazu, dass der Schuldenberg weiter steigt und die nächste Generation ihn abtragen darf.
Problem Nummer zwei: Die argentinische Zentralbank muss sich an den USA orientieren, wenn sie die Zinsen festlegt. Und weil Argentinien den USA die Dollar-Investoren abspenstig machen will, muss die Zentralbank in Buenos Aires auf das US-Zinsniveau auch noch einen fetten Risikozuschlag setzen – derzeit beträgt er neun Prozent. Fatal für die argentinische Wirtschaft – und die Argentinier: Boomcountry Amerika hatte in den letzten Jahren vor allem Sorgen wegen seiner Geldwertstabilität, setzte die Zinsen also immer nur nach oben. Argentinien hingegen leidet seit längerem an einer Rezession; um sie zu bekämpfen, wären Zinssenkungen ein wichtiger Schritt gewesen. Das mag sich mit der Flaute in den USA zwar ändern – aber dadurch sinken die Schulden noch lange nicht.
Bleibt zu hoffen, dass Cavallos richtiger Vorschlag nicht auf Unverständnis stößt oder gar als „unorthodox“ abgetan wird. Vor allem ausländische Investoren könnten die Teilkopplung an den Euro als Abwertung des Peso interpretieren und die Glaubwürdigkeit der argentinischen Währungspolitik anzweifeln. Wenn derart verunsicherte Anleger dann ihr Kapital abziehen, wäre das für die argentinische Wirtschaft kaum zu verkraften.
KATHARINA KOUFEN
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