: Wachstum lahmt
Deutsche Wirtschaftsinstitute reduzieren Konjunkturprognosen auf bis zu 1,3 Prozent. Inflation steigt auf 3,6 Prozent. EU verfehlt Währungsziel
BERLIN taz/rtr ■ SPD-Generalsekretär Franz Müntefering demonstrierte Gelassenheit. „Wir hoffen, dass die Dinge im nächsten Jahr wieder besser laufen.“ Dass Müntefering in die fernere Zukunft schweift, hat seinen Grund: Erneut haben gestern zwei führende Wirtschaftsinstitute ihre Erwartungen an das Bruttoinlandsprodukt (BIP) für 2001 gesenkt. Gleichzeitig wird alles teurer: In Deutschland kletterte die Inflation nach Angaben der EU-Statistikamts Eurostat auf die Rekordmarke von 3,6 Prozent. Das liegt sogar noch über dem EU-Durchschnitt, der wegen hoher Preise für Lebensmittel und Energie mit 3,4 Prozent so hoch war wie seit acht Jahren nicht mehr. EU-Währungskommissar Pedro Solbes rechnet nicht mehr damit, dass die Teuerungsrate unter 2 Prozent fällt. Damit würden die Vorgaben der Europäischen Zentralbank für 2001 komplett verfehlt.
Das Hamburger Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA) erwartet für Deutschland nur noch ein Wachstum des BIP von 1,7 Prozent. Noch drastischer revidierte das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) seine Konjunkturprognose. Demnach könne die Wirtschaft jetzt nur noch auf ein Wachstum von 1,3 Prozent hoffen. Im Frühjahr waren beide Institute noch von 2,1 Prozent ausgegangen.
Übereinstimmend sehen die Experten die Ursachen für die schlechte Wirtschaftslage in der derzeit schwachen US-Konjunktur und im hohen Ölpreis. In Frage steht auch das Ziel der Bundesregierung, 2002 die Zahl der Arbeitslosen auf 3,5 Millionen zu drücken. Wegen der Flaute rechne man vielmehr mit knapp 3,8 Millionen Arbeitslosen.
Jörg Hinze vom IfW warnte vor „hektischem Aktionismus“, um der Konjunktur wieder auf die Beine zu helfen. Kurzfristig solle die Regierung ihren Kurs in der Wirtschaftspolitik beibehalten. Langfristig drängte Hinze aber auf weitere Steuersenkungen. Der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel nannte die Sparpolitik von Finanzminister Eichel einen „Konjunkturkiller“. Gerade jetzt müsse der Abschwung mit stärkeren öffentlichen Ausgaben aufgehalten werden. Dagegen lobte er Eichel für dessen Vorstoß, die EZB zur Zinssenkung zu bewegen. „Jetzt ist endlich das Tabu gegenüber der EZB gefallen.“ Vorrang vor der Bekämpfung der Inflation habe jetzt die Überwindung der wirtschaftlichen Stagnation. ZIP
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen