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Der Hockeyschläger als Stradivari

■ Ken Butler eröffnete das Radio Bremen Festival „Seltenheiten“ mit seiner selbst gebastelten Musik

Haben Sie als Kind auch auf Haushaltsgegenständen Musik gemacht? Ich jedenfalls habe an dem Eierschneider wie auf einer Harfe gezupft, in die Tülle der Teekanne geblasen und mit dem Essbesteck auf Töpfen und Pfannen Schlagzeugsoli gespielt. So wird es wohl bei Ken Butler auch angefangen haben, nur bei ihm entwickelte sich daraus eine richtig schöne Obsession. Anders ist es kaum zu erklären, warum der inzwischen ausgewachsene US-Amerikaner immer noch auf Golfschlägern, Schneeschiebern und Tennis-Rackets herumspielt.

Nun ist derjenige fein raus, der aus seinen Macken Kunst zu machen versteht. Genau dies ist Ken Butler mit seinen „hybrid instruments“ gelungen, die er jetzt in der Radio-Bremen-Reihe „Seltenheiten“ vorstellte. Den Golfschläger hat er mit einer Gitarrensaite bespannt und an einen Verstärker angeschlossen, und nun zupft er rockige Riffs auf ihm. Der Tennisschläger wurde kunstvoll zu einer Art Banjo umgebaut, und die Basssaiten am angefügten Spazierstock geben dem Instrument einen erstaunlich orchestralen Klang. Auf dem Schneeschieber kann sowohl gezupft wie auch gefiedelt werden, und ein Gummiband wird so angeblasen, dass es wie eine Trompete klingt.

Man weiß nicht, was man mehr bewundern soll: den Tüftler Ken Butler, der all diese Instrumente zusammengebaut, ja im Grunde erfunden hat oder den Performer, der sie mit großer Virtuosität zupft, schlägt, streicht oder pustet. Seine Phrasierung ist dabei allerdings fast immer traditionell: Das Gummi wird wie eine Trompete geblasen, der Golfschläger wie eine E-Gitarre gespielt, der Regenschirm wie eine Violine gestrichen. Dazu wird dann fast immer ein schnell gezimmertes Ostinato in einer elektronischen Endlosschleife wiederholt und durch weitere Klänge ergänzt. Dabei gelingen ihm einige erstaunlich komplexe Arrangements, aber wirklich neue, andere Töne erzeugt er kaum.

Butlers Ehrgeiz liegt eher darin, die Leute in Erstaunen zu versetzen. Dies wird spätestens bei seinem großen Finale deutlich, denn hier zeigt er kurz mit zirzenischen Gesten die Objekte, bevor er ihnen Töne entlockt. Eine Zahnbürste wird so zum Instrument, genau wie sein Hosenreißverschluss (den er fast schon obszön rauf und runter sausen lässt). Ein Geigenbogen wird mit einem Geigenbogen bestrichen und schließlich steckt er sich ein Mikro in den Mund und gibt sich selber Kopfnüsse, die wie ein Perkussionssolo prasseln.

Kein Wunder, dass andere komische Vögel der avantgardistischen Popmusik wie John Zorn und Laurie Anderson in Ken Butler einen Wahlverwandten sehen und gerne mit ihm zusammenarbeiten. Natürlich wirkt solch ein Solokonzert auf Alltagsobjekten in erster Linie lächerlich. Aber Butler führt es mit solch einer Kunstfertigkeit und Musikalität vor, dass man schnell überzeugt und begeistert ist. Und bei der Präsentation entpuppt er sich als guter Entertainer: nur ein Augenzwinkern, ein komischer Gag, und die Wirkung wäre verpufft. Aber er spielt durchgängig mit tiefem Ernst und behandelt den Hockeyschläger, als wäre es eine Stradivari. Wilfried Hippen

Heute, morgen und übermorgen gibt es noch weitere Konzerte der Reihe „Seltenheiten“ – jeweils um 20 Uhr im Sendesaal von Radio Bremen

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