: „Que(e)r gegen rechts“
Zum 23. Christopher Street Day werden am Samstag über 350.000 Besucher erwartet. Mit dabei: Politprominenz in allen Regenbogenfarben. Erstmals werden Preise für Zivilcourage vergeben. Einer der Preisträger ist Zentralrats-Präsident Spiegel
von HEIKE KLEFFNER
So viel Aufmerksamkeit wie nie widmet „tout Berlin“ und die Bundesprominenz dem diesjährigen Christopher Street Day. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) schickte ein Grußwort, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) spricht am Samstag Abend auf der Abschlusskundgebung an der Siegessäule. Das Motto „Berlin stellt sich que(e)r gegen rechts“, und die erstmalige Verleihung des „Zivilcouragepreises“ machen’s möglich. Er begrüße es, „wenn alle Gruppen der Gesellschaft gegen Intoleranz, Gewalt und Verfolgung von Minderheiten couragiert Zeichen setzen“, schreibt Schröder. Schulsenator Klaus Böger (SPD), der als Vize-Bürgermeister zur Eröffnung des Umzugs am Ku’damm das rosa Band durchschneidet, verspricht, dass Berlin sich im Bundesrat für die „Homo-Ehe“ einsetzt.
Auch die Frage, wo der Regierende Bürgermeister den Tag verbringen wird, ist beantwortet. Klaus Wowereit werde sich wie auch schon in der Vergangenheit beim CSD sehen lassen, heißt es aus der Senatskanzlei. Ob Wowereit bei der Abschlusskundgebung spricht, „ist noch offen“, sagt Michael Schmidt, Geschäftsführer des CSD e. V. „Eingeladen ist er auf jeden Fall.“ Wer bei so viel Politprominenz befürchtet, dass auch die Christdemokraten unter dem Regenbogen „Gesicht zeigen“, kann beruhigt zum CSD kommen: Die ebenfalls eingeladenen CDU-Spitzen Angela Merkel, Friedrich Merz und Laurenz Meyer haben abgesagt.
Und wer gar keine Politikerreden hören will, kann beim Kreuzberger CSD auf der Oranienstraße feiern. Dessen Initiatoren wollen sich nicht in „einen staatlichen Antifaschismus einbinden lassen, der seinen eigenen Rassismus festschreibt und alles links von sich als extremistisch verunglimpft“. Trotzdem präsentiert sich die schwul-lesbische Community nach außen hin so geschlossen wie selten am CSD, dessen Message in der Vergangenheit Gegenstand heftiger Schlammschlachten zwischen „Party“- und „Polit“-Fraktionen war. Von einer „nie dagewesenen Integrationswirkung“ des Mottos und des Forderungskatalogs schreibt das schwullesbische Stadtmagazin Siegessäule.
Enttäuscht ist man bei den Organisatoren allenfalls darüber, dass die inhaltliche Beschäftigung mit dem Motto eher dünn ausfällt. Dabei unterstreicht die Bilanz des Schwulen Überfalltelefons für das Jahr 2000 dessen Bedeutung. Unter den 184 dokumentierten schwulenfeindlichen Übergriffen finden sich 15 bis 20 Angriffe, die offensichtlich rechtsextrem motiviert waren. Beim CSD e. V. heißt es dazu, das sinkende Medieninteresse für derartige Vorfälle unterstreiche die Notwendigkeit, mit der Verleihung von „Zivilcouragepreisen“ für besonderes Engagement gegen Intoleranz und Rassismus ein Signal zu setzen. Zusammen mit dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, werden die Gruppe „Que(e)r gegen rechts“, das Schwule Überfalltelefon und die Aktion „Gesicht zeigen“ des Friedrichshainer „Andreas Gymnasium“ ausgezeichnet.
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