Marktzutritt beim Nachbarn

Springer-Verlag und Verlagsgruppe Bauer bauen ihre Präsenz in Polen aus. Diesmal geht es nicht um Übernahmen oder reine Übersetzungen: Beide Konzerne wollen Nachrichtenmagazine gründen

aus Warschau GABRIELE LESSER

Der Pressemarkt in Polen ist heiß umkämpft. Ausländische Investoren haben insbesondere viele Regionalzeitungen aufgekauft. Doch auch an beinahe allen überregionalen Zeitungen sind Kapitalgeber aus dem Ausland beteiligt.

Nun wollen zwei deutsche Verlage – Bauer und Axel Springer – den Kampf um die Leser von Nachrichtenmagazinen antreten. Die beiden Redaktionen produzieren schon seit Monaten Nullnummern, um im Herbst groß herauszukommen, wenn in Polen die heiße Wahlkampfphase vor den Parlamentswahlen beginnt. Springer, der von Newsweek die Lizenz für Polen gekauft hat, will diesmal nicht einfach eine übersetzte Fassung der Zeitschrift anbieten, wie es der Verlag üblicherweise auf dem Sektor der Unterhaltsungszeitschriften tut. Geplant ist vielmehr eine eigene „polnische Newsweek“ – überwiegend aus der Feder einheimischer Redakteure. Ein ähnliches Konzept verfolgt auch Bauer. Der Verlag, der in Polen vor allem preisgünstige TV-, Freizeit- und Frauenblätter verkauft, plant nun neben dem ambitionierten Nachrichtenmagazin noch Investitionen in die Wirtschaftspresse. Ekonomista (nach dem britischen Economist) soll der neue Titel heißen.

Beide Verlage werden mit einer Startauflage von mindestens 100.000 Exemplaren kalkulieren müssen, wenn sie gegen die etablierten Magazine Polityka und Wprost eine Chance haben wollen. Polityka gab es schon unter den Kommunisten, die Zeitschrift hatte damals „Ventilfunktion“: Hier konnte auf hohem intellektuellem Niveau „Dampf abgelassen“ werden. Polityka hat die Wende in Polen unbeschadet überstanden und ist heute mit einer verkauften Auflage von über 260.000 Exemplaren wöchentlich das führende Nachrichtenblatt landesweit. Derzeitige Nummer zwei ist das Magazin Wprost (Auflage 224.000), das erst nach der Wende gegründet wurde und sich deutlich stärker als Polityka an Sensationen und bunten Themen orientiert.

Die interessantere Konkurrenz liegt derzeit nur knapp dahinter: Seit diesem Monat erscheint auch die linksliberale Przeglad im typischen Magazinformat und schiebt sich Richtung 200.000er-Auflage vor. Sogar 230.000-mal pro Woche verkauft sich das antiklerikale Satireblatt Nie (Nein), das von Jerzy Urban, 1989 letzter Regierungssprecher der Volksrepublik Polen, herausgegeben wird.

Bauer und Springer müssen außerdem die Konkurrenz mit dem hoch angesehenen katholisch-liberalen Tygodnik Powszechny (Allgemeine Wochenzeitung) aufnehmen, der zwar nur mit einer Wochenauflage von 20.000 bis 30.000 Exemplaren erscheint, aber ebenfalls für den Herbst einen Relaunch mit neuem Konzept und Format plant.

Springer und Bauer sollte vor allem die Einschätzung von Tomasz Wroblewski, dem künftigen Chefredakteur der polnischen Newsweek, zu denken geben: „Auf dem polnischen Pressemarkt ist noch Platz für ein drittes großes Nachrichtenmagazin.“ Von einem vierten scheint keine Rede zu sein.