: „Alle haben getrunken“
Seit gestern steht der Polizeibeamte K. vor dem Amtsgericht Tiergarten. Er soll seinen Kollegen mit Versetzung gedroht haben, falls sie seinen Alkoholmissbrauch meldeten
Hans-Ulrich K. ist Polizeioberkommissar. Der 44-jährige Beamte aus Marienfelde soll während seiner Dienstzeit getrunken haben. Nicht nur ab und zu ein Bier zum Schichtende, sondern regelmäßig und viel. Seinen Kollegen soll K. mit Konsequenzen gedroht haben, falls sie seinen Alkoholmissbrauch meldeten. Seit gestern muss sich der Polizeioberkommissar deshalb wegen Nötigung seiner Untergebenen vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten.
Der Angeklagte wies die Beschuldigungen zum Prozessauftakt allerdings zurück. Der schnauzbärtige Mann, der gestern mit trotzig übereinander geschlagenen Beinen vor der Richterin saß, sieht sich als Opfer eines Komplotts seiner Kollegen. Er leide weder unter Alkoholproblemen noch habe er andere unter Druck gesetzt.
„Alle haben nach der Streife um sechs Uhr früh auf der Wache noch ein Bier getrunken, ja, manchmal auch kurz vor Dienstschluss“, erregte sich der Angeklagte, Hans-Ulrich K. Es hätte indes große Spannungen und Rivalitäten in seiner Polizeitruppe gegeben. Darum werde er nun fälschlich beschuldigt. Wegen der Vorwürfe hat K. seine alte Dienststelle inzwischen verlassen müssen, er arbeitet mittlerweile als Kontaktbereichsbeamter in Friedrichshain.
Als Zeugen hatte das Gericht gestern 13 ehemalige Kollegen von K. geladen. Der Polizeibeamte T. sagte aus, die Truppe um den Vorgesetzten K. hätte sich in die zwei Fraktionen der „Trinker und Nichttrinker“ gespalten. Bei manchen Kollegen seien ein bis sieben Biere nach der Streife die Regel gewesen. Häufig seien diese auch während der Dienstzeit angetrunken gewesen. Und bei einem Sondereinsatz mit längeren Wartezeiten hätte er neben dem Streifenwagen von K. leere Bierbüchsen gefunden. Manchmal hätte K. sogar abends betrunken aus einer Kneipe angerufen, um sich von den diensthabenden Kollegen nach Hause chauffieren zu lassen. Er selbst, so der Polizeibeamte T. weiter, sei von seinem Vorgesetzten K. bedroht worden, bei falschen Anschuldigungen mit einer Versetzung rechnen zu müssen.
K. erzählte dagegen dem Gericht, er hätte den Zeugen T. und andere Untergebene damals nur vorsichtig warnen wollen. Es hätten beträchtliche Rivalitäten in der Truppe bestanden. Einzelne Kollegen seien unordentlich und unzuverlässig geworden. Viele seien auch ägerlich darüber gewesen, dass er einen Polizisten aus dem Ostteil der Stadt zum Stellvertreter bestimmt hatte. Natürlich sei der Alkohol am Arbeitsplatz vor Dienstschluss nicht korrekt gewesen, genauso wenig wie der Gebrauch des Dienstwagens für private Zwecke, gab K. zu. Allerdings hätten alle seine Mitarbeiter gelegentlich getrunken. Und nicht nur er allein hätte bisweilen den Streifenwagen als Taxi benutzt.
An Gespräche über den Missbrauch von Alkohol am Arbeitsplatz will K. sich allerdings keinesfalls erinnern. Die ein, zwei Bier zum Ende der Streife seien nur einmal thematisiert worden. Damals ging es darum, die leeren Büchsen zu entsorgen, damit die Putzfrau sie nicht finde. Nachdem K. zwei seiner Untergebenen im Januar 2000 versetzen ließ, wurde er von den Kollegen angezeigt. Der Prozess gegen K. wird in der kommenden Woche fortgesetzt.
KIRSTEN KÜPPERS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen