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jenny zylka über Sex & Lügen Schicken ist föhn

Sexy T-Shirt-Sprüche sind modern. Aber das bedeutet gar nichts. Denn: Wer viel darüber spricht, hat es nötig

Mein absoluter Lieblingsaufdruck auf Girlie-T-Shirts ist „Zu klein“. Den habe ich mal bei einem Görli-Girlie gesehen („Görli“ wird der Görlitzer Bahnhof in Berlin-Kreuzberg von genau den Witzbolden genannt, die sich auch „lustige“ Abkürzungs-SMS, angeregt aus der Bild-Zeitung, wie „Fimimi“ oder „Hadikladualar“ schicken). Natürlich bezog sich dieser Aufdruck eindeutig auf das T-Shirt. Nicht auf das Holz.

Der Trend mit den T-Shirt-Botschaften scheint einfach nicht verschwinden zu wollen, vielmehr will er, wie etwa auch der unkleidsame Turnschuh, in die Annalen der Modegeschichte des 20. Jahrhunderts eingehen. Besagte Zeitung lässt jeden Tag eine T-Shirt-Aufschrift abdrucken (samt Oberkörper, versteht sich! Das lässt sich kein Redakteur entgehen!). Sogar im ZDF-Sommergarten, dem untersten Level auf der nach unten offenen Peinlichkeitsskala für Auftrittsorte, hüpft junges Gemüse in engen „talk to me“-T-Shirts auf der Bühne herum. Und besonders an Touristenknotenpunkten kommen einem XXL-Bäuche entgegen, auf denen „Wo ein Wilhelm ist, da ist auch ein Busch“ oder vorne „Frauen Herantreten“ und hinten „Männer Wegbleiben“ prangt.

Schlimm einerseits. Bezeichnend andererseits. Denn man ist, so erschreckt einen der Zeitgeist, heutzutage außer frech und spontan vor allem sexy, schamlos oder steht zumindest zu seinen Trieben. Die eine trägt die Aufschrift „Pornostar“, der andere „Porn Addict“ – wenn die beiden sich doch nur mal treffen könnten! Das wäre ein Fest!

Oder auch nicht. Denn was würde passieren, nähme man das blücherartige Rangehen, die „Fuck me, I’m famous“, „Groupie“ oder „Ich bin Jungfrau, aber das ist ein altes T-Shirt“-Sprüche ernst? Nichts. Die Damen mit „I’m here about the blowjob!“ vorne drauf tun nämlich nur so. Im Gegensatz zu der schwulen Community, die momentan entweder „...und das ist auch gut so!“ oder vorne „Ruf! mich! an!“ und hinten ihre echte Nummer spazieren trägt (und dann im wahrsten Sinne des Wortes rangehen), können Interessierte von den „Goddesses“ genauso einen Korb bekommen wie von „Aerosmith“-Shirt-Damen. Denn ein prima T-Shirt-Spruch allein macht noch keinen Wertewandel aus, schon gar nicht im empfindlichen Sexualitäts-Bereich. Zwar haben Sex und Sex-Talk endgültig Einzug gehalten in das Um-Aufmerksamkeit-Buhlen der Werbung, der verschiedenen Medienformate, der Talkshow-Gäste. Aber laut Umfragen haben sich die moralischen Werte Heranwachsender in den letzten Jahren eher verschärft als gelockert: Necking ja, untern Pulli aber noch nicht! Küssen ja, aber erst mal ohne Zunge. Und wenn Jugendliche ihr erstes Mal auch viel früher (im Durchschnitt zwischen 15 und 16) erfahren, tun es doch erstaunlich viele mit dem/der festen FreundIn. Romantische Heirat und Windelwechseln stehen am Ziel. Ein „Boy Magnet“, ein „Sperman“ (im „Superman“-Schriftzug) will man zwar sein, aber nach Lust und Laune rumgehurt wird nicht.

Auch bei den Bierbäuchen übrigens nicht: Keine Frau der Welt würde einen Mann ansprechen, über dessen Körpermitte, egal ob in Waschbrett- oder Waschtrommelform, sich „Sumsen ist Buper“ spannt. Jedenfalls nicht, wenn sie lesen kann. Das behaupte ich jetzt einfach mal. Wer „Sumsen ist Buper“ oder „Schicken ist föhn“ spazieren trägt, der hat lange Zeit weder gesumst noch geschickt, geschweige denn geföhnt. Behaupte ich auch einfach mal. Mit den T-Shirt-Sprüchen verhält es sich wie mit den Verbal-Erotikern: Wer viel darüber spricht, hat es nötig.

Stattdessen schwingt in den provokanten Botschaften, vor allem bei denen auf den weiblichen Oberkörpern, immer eine gehörige Portion Angabe und Konkurrenz mit: „Your boyfriend thinks I’m hot“, dein Freund findet mich geil, so bitchy können Mädchen sein. Darauf kontert die allerbeste Freundin am besten mit „Girls cheat“. Das sind die erstaunlichen Folgen dieser merkwürdigen Entwicklung, bei der junge Frauen offensichtlich, anstatt auf Sisters-Solidarität zu bauen, lieber über die körperlichen Merkmale der „Schlampe“ lästern, auf die sie sauer sind. Bestimmt eine Errungenschaft der Fit-for-Erfolgreich-Gesellschaft, auf der sich ohnehin gut herumtrampeln lässt.

Zu Hochzeiten der Sisters, in den 70ern, stand auf den Shirts „I burnt my bra“, Schluss mit dem frauenfeindlichen Modediktat. Heute steht da „Silicon Valley“: es lebe die optimierte Frau. Aber schließlich bedeuten in Label-Zeiten diese Botschaften auch nicht mehr oder weniger als „Fruit of the loom“ oder „University of Chicago“. Vielleicht sollte man das einfach akzeptieren, sich darob nicht aufregen und das „Silicon Valley“-Shirt schön eng über Wampe und Hängebusen tragen.

JENNI ZYLKA

Fragen zu Sex & Lügen kolumne@taz.de

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