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Flüchtlinge nach Nigeria

Schiff voller Bürgerkriegsflüchtlinge aus Liberia darf nach 26 Tagen Odyssee in Lagos landen. Mehrere Länder Westafrikas hatten die „Alnar“ abgewiesen

BERLIN taz ■ Mit Tränen in den Augen und Kirchenliedern auf den Lippen sind gestern 168 völlig erschöpfte Flüchtlinge aus Liberia im Hafen der nigerianischen Metropole Lagos an Land gegangen – 26 Tage, nachdem sie aus der 1.500 Kilometer entfernten liberianischen Hauptstadt Monrovia abgereist waren. Die Odyssee der Passagiere des fast 50 Jahre alten schwedischen Schiffes „Alnar Stockholm“, das weder zum Passagierverkehr noch zum Frachttransport zugelassen ist, hatte mehrere westafrikanische Länder wochenlang in Atem gehalten.

Am 1. Juni hatte die „Alnar“ Monrovia verlassen. Das Ziel war Ghanas Hauptstadt Accra – eine Reise von wenigen Tagen. Ghanas Innenministerium stellte sich aber stur und sagte, das Schiff sei voller illegaler Einwanderer. In Tema Harbour, 25 Kilometer östlich von Accra, durften schließlich am 11. Juni alle Nichtliberianer von Bord – 134 Ghanaer, 20 Nigerianer und zwei aus Sierra Leone -, während die Liberianer festsaßen und wieder auf hohe See geschickt wurden.

Die „Alnar“ suchte danach einen Hafen, während die Lebensmittel- und Trinkwasservorräte an Bord allmählich zur Neige gingen. Benin wies das Schiff am 18. Juni ab. Daraufhin ging die Reise zurück Richtung Ghana. Unterwegs verhedderte sich das Schiff vor der Küste Togos in Fischernetzen und musste von der Küstenwache gerettet werden. Ende letzter Woche landete die „Alnar“ in Nigerias Küstengewässern. Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo erlaubte schließlich am Montag aus „humanitären Gründen“ die Landung in Lagos.

Die ganze Affäre ist grotesk, denn als Bürger der „Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (Ecowas) haben Liberianer das Recht, sich visumfrei bis zu 90 Tagen in jedem anderen Ecowas-Mitgliedsland aufzuhalten. Die wiederholten Einreiseverweigerungen sind also völlig illegal und auf zwei regionale Trends zurückzuführen: zunehmende Fremdenfeindlichkeit, wie sie seit Monaten in der Elfenbeinküste gegenüber Arbeitsmigranten und in Guinea gegenüber Bürgerkriegsflüchtlingen zu beobachten ist, und wachsende internationale Kritik an vermutetem Menschenhandel, wie sie sich im April anlässlich eines Skandals um ein mutmaßliches Kindersklavenschiff in Benin äußerte. Beide Entwicklungen erschweren nicht nur die für Westafrikas Wirtschaft lebenswichtige grenzüberschreitende Migration, sondern auch die Flucht vor den andauernden Kriegen in der Region.

Die Liberianer auf der „Alnar“ geben an, aus der nordliberianischen Provinz Lofa County zu stammen, die seit zehn Monaten Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen ist. Zahlreiche Bewohner des Nordens von Liberia sind in den letzten Wochen vor den eskalierenden Kämpfen entweder in Liberias Hauptstadt Monrovia oder in Nachbarländer geflüchtet. Aber kein Staat Westafrikas will gerne Ziel eines neuen Flüchtlingsstroms aus Liberia sein. In vielen westafrikanischen Ländern leben noch Altflüchtlinge aus dem liberianischen Bürgerkrieg von 1990 bis 97. Im Mai 1996, zum Höhepunkt schwerer Kämpfe in Liberias Hauptstadt Monrovia, war der nigerianische Frachter „Bulk Challenge“ etwa zwei Wochen lang mit etwa 2.000 liberianischen Flüchtlingen vor Westafrikas Küsten hin- und hergefahren. Damals erbarmte sich die Regierung Ghanas und ließ die Liberianer an Land. Sie sind immer noch da.

DOMINIC JOHNSON

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