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Dialektik statt Kondome gegen Aids

Zum Abschluss ihres Aidsgipfels in New York verwässert die UNO ihre Ziele bis zur Unkenntlichkeit. Auch den von Kofi Annan geforderten Aidsfonds gibt es immer noch nicht. UNO: Für unseren ersten Aidsgipfel ist das Ergebnis doch ganz gut

von DOMINIC JOHNSON

Es sei ja das erste Mal, dass alle UN-Mitgliedstaaten gemeinsam über eine Seuche redeten, versuchten sich die Unterhändler beim Aidsgipfel der UNO in New York zu trösten. Dass die gestern bekannt gewordene Endfassung der Abschlusserklärung des Gipfels weit hinter den bisherigen Entwurf zurückfällt, verleitete Penny Wensley, die australische Kovorsitzende der zuständigen Verhandlungsgruppe, zu dialektischen Kunststücken. Alle Weltregionen seien mit dem Ergebnis unglücklich, erklärte sie; von daher sei das Dokument ein „Quantensprung“, und wenn man es genau lese, könne man darin eine „starke, fortschrittliche Sprache“ entdecken.

Das Dokument ist vor allem ein Lehrstück darüber, was passiert, wenn anstelle von Betroffenen Politiker eine Erklärung schreiben. Statt Zielorientiertheit dominiert Gesichtswahrung. So ist statt spezifischer Benennung von besonders anfälligen Bevölkerungsgruppen und von riskanten Verhaltensweisen, die Thema von Aufklärungskampagnen sein sollten, nur noch allgemein von „Risikoverhalten, einschließlich sexueller Aktivität und Drogengebrauch“ die Rede. Scott Long von der in San Francisco ansässigen Internationalen Menschenrechtskommission von Schwulen und Lesben sagte: „Solche sprachlichen Entscheidungen machen die gesamte Erklärung inhaltsleer.“

Dass Scott Longs Organisation zum Gipfel akkreditiert war, hatte schon zu Gipfelbeginn zu einer zweistündigen Unterbrechung wegen Protesten konservativer islamischer Regierungen geführt. Wie der ägyptische Diplomat Amr Raschdi, Wortführer dieser Gruppe, hinterher zugab, ging es dabei lediglich darum, Stärke zu beweisen. Die Einschüchterung funktionierte. Der islamische Protest gegen Homosexualität hat den New Yorker Gipfel mehr aufgeregt als die afrikanischen Warnungen vor der drohenden Auslöschung ganzer Bevölkerungsteile.

Unter afrikanischen Organisationen herrschte vor der gestrigen Endabstimmung Frustration. Nach jahrelangem Nichtstun fangen Afrikas Regierungen gerade an, sich um Aids zu kümmern – aber der von UN-Generalsekretär Kofi Annan geforderte Sonderfonds für die Prävention und Behandlung von Aids, Tuberkulose und Malaria in Höhe von sieben bis zehn Milliarden Dollar jährlich bleibt ein Wunschtraum. Auch nach dem neuesten Beschluss des außenpolitischen Ausschusses im US-Repräsentantenhaus, zusätzlich zu bereits zugesagten 200 Millionen Dollar 1,3 Milliarden Dollar freizugeben, wird der Fonds noch bei unter zwei Milliarden Dollar liegen. Weitere erwartete Ankündigungen der reichen Industrienationen auf dem G-8-Gipfel in Genua im Juli werden daran nichts Wesentliches ändern. Nach Berechnungen von Organisationen, die einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder fordern, entspricht selbst die von Annan geforderte Höchstsumme des Fonds dem jährlichen Schuldendienst Afrikas.

Der Geldmangel wird nach Ansicht von Aidsaktivisten dazu führen, dass sich die internationalen Bemühungen weiterhin auf Präventionsprogramme konzentrieren und nicht auf die Verbilligung von Medikamenten für die bereits Infizierten. Zwar haben in New York Vertreter von Basisorganisationen kritisiert, dass billige Medikamente solchen Aidskranken wenig bringen, die zu wenig zu Essen und keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Doch der Geldmangel und die sprachliche Lähmung der UNO erschweren auch Fortschritte in der Prävention. „Wir haben viele Dokumente, aber keine Kondome“, sagte Peal Nswahili von der nigerianischen Organisation „Stop Aids“. Jane Mumbi Kiano vom Nationalen Frauenrat von Kenia sagte: „Es gibt viele Plakate, aber unsere Frauen können nicht lesen.“

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