: Den Haag verurteilt die USA
Nach einer Klage Deutschlands verurteilt der Internationale Gerichtshof die USA, bei der Hinrichtung der deutschen Brüder LaGrand 1999 verbindliches Völkerrecht verletzt zu haben. Die USA versprechen, das nicht wieder zu tun
von BERND PICKERT
Die USA haben bei der Hinrichtung der deutschen Brüder LaGrand gegen völkerrechtlich verbindliche Konventionen verstoßen, und sie haben glaubhaft versichert, das nicht wieder tun zu wollen. Das ist der Tenor eines Urteils des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag, das gestern verkündet wurde.
Die Bundesrepublik Deutschland hatte die USA verklagt, weil die US-Justiz im Falle der 1999 hingerichteten Brüder Walter und Karl Lagrand gegen die Wiener Konsularrechtskonvention verstoßen habe, das in Paragraf 36 im Ausland verhafteten Personen das Recht auf konsularischen Beistand garantiert.
Die beiden deutschen Staatsbürger, die seit ihrer Kindheit in den USA lebten, waren 1982 wegen eines versuchten Banküberfalls verhaftet worden, in dessen Verlauf der Manager getötet und eine Angestellte schwer verletzt worden waren. 1984 wurden die Brüder von einem Gericht im Bundesstaat Arizona zum Tode verurteilt. Erst 1992, als das Verfahren bereits die Instanzen durchlaufen hatte, erfuhr die deutsche Botschaft in Washington davon, dass da zwei Deutsche in der Todeszelle saßen.
Die mäßig engagierten deutschen Interventionen in der Folge führten nicht dazu, dass die Justiz in Arizona das Verfahren neu aufgerollt hätte. Erst kurz vor dem geplanten Hinrichtungstermin Karl LaGrands am 24. Februar 1999 versuchte Deutschland einen Aufschub der Hinrichtung zu erreichen – vergebens. Karl LaGrand wurde wie geplant getötet. Am 2. März, einen Tag vor dem Termin der Hinrichtung seines Bruders Walter, reichte Deutschland in Den Haag endlich Klage gegen die USA wegen Verstoßes gegen die Wiener Konvention ein – und der Internationale Gerichtshof verfügte am 3. März eine Aufschiebung der Hinrichtung. Das jedoch beeindruckte die Behörden in Arizona wenig – Walter LaGrand starb noch am selben Tag.
Die Bundesregierung erhielt die Klage in Den Haag aufrecht und bekam gestern in fast allen Punkten Recht: Die USA wurden für schuldig befunden, durch Nichtinformieren der Botschaft über die Verfahren gegen die Brüder LaGrand gegen Paragraf 36, Absatz 1 der Wiener Konvention verstoßen zu haben. Weil sie auch später eine Wiederaufnahme des Verfahrens wegen dieses Fehlers nicht zuließen, verstießen sie auch gegen Paragraf 36, Absatz 3. Die Verurteilung in diesem Punkt hatte größere Diskussionen ausgelöst, denn es ist ein Absatz der US-Strafprozessordnung selbst (doctrine of procedural default), der die Wiederaufnahme eines Prozesses wegen Verfahrensfehlern ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht zulässt. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sah es gestern gegenüber der taz als besonderen Erfolg an, dass der IGH diese Praxis der US-Jusitz als völkerrechtswidrig zurückgewiesen hat.
Und schließlich verurteilte der Gerichtshof die USA auch noch, durch die Nichtbeachtung der einstweiligen Verfügung aus Den Haag den Gerichtshof missachtet zu haben.
Nur in einem Punkt widersprach das Gericht den deutschen Forderungen: Der IGH mochte die USA nicht dazu verurteilen, Garantien abzugeben, dass sich dasselbe Unrecht nicht wiederholen könne. Stattdessen nahmen die Richter die Beteuerungen der USA zur Kenntnis, bundesstaatliche und lokale Behörden künftig ausführlich über die Bedeutung internationaler Konventionen zu unterrichten. Auch das Auswärtige Amt erklärte sich damit zufrieden – man habe Verständnis dafür, dass das in so einem großen Land nicht so einfach sei, erklärte ein Sprecher gegenüber der taz.
Das Urteil im Internet: http://www.icj-cij.org/icjwww/idocket/igus/igusframe.htm
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