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Deutschland ist keine Ausnahme

Auch in anderen europäischen Staaten, darunter Frankreich und die Niederlande, lässt die Konjunktur nach. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung reduziert die Wachstumsprognose für den Euro-Raum. Der Rat: Weniger sparen, Zinsen senken

BERLIN rtr/taz ■ Ähnlich wie in Deutschland schwächt sich das Wirtschaftswachstum im Euro-Raum nach Analysen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) weiter ab. Im ersten Quartal 2001 liege das saisonbereinigte Wachstum in den Euro-Ländern im Jahresdurchschnitt noch bei zwei Prozent, schreibt das DIW in seinem jüngsten Wochenbericht. Für das zweite Quartal deuteten die Frühindikatoren aber eine weitere Abschwächung an, die sich auch in den Herbst hinein fortsetze.

Das Wachstum für das gesamte Jahr 2001 wird demnach höchstens bei zwei Prozent liegen – leicht unter den Prognosen von 2,2 Prozent. Nicht allein Deutschland habe Probleme, schreibt das DIW. Auch in Frankreich verringere sich das Wachstum, in den Niederlanden halbiere es sich im ersten Quartal sogar auf 1,2 Prozent.

Ein wichtiger Grund für die trüberen Aussichten in der Euro-Zone sei, dass die höheren Ölpreise den privaten Haushalten Kaufkraft entzogen und die Investitionsneigung gehemmt hätten. Zugleich hätten der Ölpreisanstieg, höhere Nahrungsmittelpreise als Folge der Tierseuchen und eine weitere Euro-Abwertung den Preisauftrieb angeheizt.

Deshalb habe die Steuerreform in Deutschland nicht die erwarteten Impulse für das Wachstum ausgelöst. Darüber hinaus belaste die Schwäche der US-Konjunktur die Wirtschaft in Europa. Hinzu komme inzwischen, dass die Dynamik im Außenhandel der Euro-Länder inzwischen „drastisch nachgelassen hat“, schreiben die DIW-Forscher.

Besonders stark hat sich dem DIW zufolge die Investitionsdynamik abgeschwächt, gegenüber dem Vorquartal seien die Anlageinvestitionen gar gesunken.

Dafür machen die Ökonomen auch die straffe Geldpolitik verantwortlich. Die zu hohen Zinsen der Europäischen Zentralbank würden die Konjunktur behindern. Das DIW forderte die Euro-Länder außerdem auf, nun nicht neue Ausgabenkürzungen vorzunehmen, sondern zeitweise ihre Verschuldungsziele weniger strikt zu verfolgen.

Eine geänderte Haushaltpolitik ist nach Ansicht des Berliner Instituts auch deshalb gerechtfertigt, weil die EU-Länder im Jahr 2000 erstmals seit Jahrzehnten insgesamt einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet haben. Insgesamt sieht das DIW sowohl in den EU-Ländern als auch im Euro-Raum eine klare Besserungstendenz bei den öffentlichen Haushalten. Während die EU insgesamt einen Haushaltsüberschuss im Vorjahr erreichte, sei in Euro-Ländern 2000 noch ein leichtes Defizit in den öffentlichen Haushalten verblieben.

Gelungen sei diese Konsolidierung weniger durch Einnahmezuwächse als durch Ausgabenkürzungen. Die Stabilitätsziele im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts der Euro-Länder seien zumeist übertroffen worden.

Für die nächsten zwei Jahre allerdings ist dem DIW zufolge, mit bedingt durch Steuerausfälle wegen Steuerreformen, eine etwas schlechtere Haushaltslage absehbar. Innerhalb der EU wie im Euro-Raum stehen sich nach Zahlen des DIW Defizitländer wie Deutschland, Frankreich und Italien und Überschussländer wie Finnland, Irland, Großbritannien und die Benelux-Staaten gegenüber.

Deutschland liege für 2000 mit einem Staatsdefizit von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und in 2001 mit geschätzten minus 1,7 Prozent deutlich unter den jeweiligen Durchschnittswerten in EU und Europäischer Währungsunion. Für die gesamte EU errechneten die DIW-Experten in 2000 einen Überschuss von 0,4 Prozent des BIP, der sich in 2001 in ein Minus von 0,8 Prozent verkehren werde. HANNES KOCH

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