Selbstersägter Blick

■ 15.000 Mark Geldstrafe für einen reichen Elbanwohner, der Hand und Säge an „die grüne Hölle“ anlegte

Wie ein Tagelöhner sieht Gerhard W. nicht eben aus: Schwarze Designerbrille, weißer Haarkranz auf dunkelgebräuntem Kopf und ein heller Sommeranzug, der die Bräune noch betont. Für einen armen Schlucker aber hielt ihn Nachbar Dirk W., als er bei seinem frühmorgendlichen Jogging den älteren Herrn traf. Für einen, der für ein paar Mark Eichen ansägt, damit die reichen Herrschaften am Falkensteiner Ufer ungestört ihren Elbblick genießen können. Er hat den Mann angezeigt, denn aus dessen Arbeitsjacke lugte eine Säge hervor. „Baumfrevel“ empörte er sich, „Sachbeschädigung“ sagt die Anklage. Gestern fällte das Amtsgericht Blankenese sein Urteil: 15.000 Mark Geldstrafe für Gerhard W. – der kein Tagelöhner, sondern selbst Eigentümer des Elbanwesens ist.

Und in Sachen „freie Aussicht“ beileibe kein unbeschriebenes Blatt. „Seit 50 Jahren habe ich mit der Stadt gewisse Schwierigkeiten, und da gibt es Leute im Amt, mit denen kann man gar nicht reden“, sagt der 75-Jährige. Schon 1985 hatte er deshalb selbst zur Säge gegriffen, „das war eine ganz kleine, verdörrte Tanne, die hat mich immer sehr gestört“. Vor rund zwei Jahren dann hatte er 10.000 Mark Buße dafür gezahlt, dass er einer Eiche den Todesschnitt versetzte. „An dem Baum musste ich einen Elektrofuchsschwanz ausprobieren, den ich aus den USA geschickt bekommen hatte“, trägt er zur Erklärung vor.

Doch auch der Belastungszeuge Dirk W. ist in Sachen Umweltpolizei nicht unbescholten, und darin liegt das Problem des Falles. Der 59-jährige Unternehmer ist bei seinen betuchten Nachbarn nämlich nicht nur als einer bekannt, der sich für „bessere Luft in Hambrug“ engagiert und eine Bürgerinitiative gegen den A380 auf die Beine gestellt hat. Ein Zeuge beschreibt ihn auch als jemand, der schon mal „ausflippt“, wenn ein Nachbar Äste bei sich trägt, der gleich Fotos schießt und mit Strafanzeigen droht. Und als er den vermeintlichen Tagelöhner frühmorgens ertappte, erkannte er den Täter nicht. Erst später bei der Polizei will er den als Gerhard W. identifiziert haben. Der aber behauptet, an jenem Morgen statt mit Säge im Wald in seinem Bett gewesen zu sein. Was ihm das Gericht wiederum nicht glaubt.

„Selbst Menschen in bevorzugten Wohngegenden haben ihre Probleme“, resümiert der Staatsanwalt, der im Übrigen der Ansicht ist, dass die elbblickversperrenden Bäume amtlicherseits ausgedünnt werden sollten. Denn „blickt man von oben auf Hamburg“, so der Ankläger, „sieht es aus wie die grüne Hölle“. Elke Spanner