: Hire and fire in New Economy
Die Cell Network AG in Mitte, ehemals Aperto, schmeißt mehr als die Hälfte ihrer Beschäftigten raus. Firmenchef Dirk Buddensieck: der schwerste Tag meines Lebens
Der Internetdienstleister Cell Network AG in Mitte hat mehr als die Hälfte seiner Beschäftigten entlassen. Auf einer Betriebsversammlung habe er 60 von 110 festen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihre Kündigung mitgeteilt, sagte gestern der Vorstand der Cell-Niederlassung Deutschland, Dirk Buddensiek. Das Auftragsvolumen sei seit dem zweiten Quartal 2001 um etwa 50 Prozent geschrumpft. Die Gewerkschaften verurteilten die Kündigungen. Das Unternehmen müsse nunmehr für die betroffenen Beschäftigten einen Sozialplan erstellen, erklärte Wille Bartz vom ver.di-Ableger connexx.av.
Der Fall Cell Network (Slogan: „Together we create a new beginning“) zeige erneut die Managementschwächen der New-Media- und IT-Branche, die ausschließlich auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen würden, sagte Wille Bartz. „Wir gestehen der Branche eine größtmögliche Flexibilität zu, aber ein gewisses Maß an sozialer Verantwortung muss doch sein.“
Der Auftragsrückgang sei maximal einen Monat zu kompensieren, danach müsse man handeln, erläuterte Buddensiek. Kunden hätten ohne erkennbare Gründe Aufträge gestoppt oder auf Monate vertagt. Unternehmen benötigten heute mehrere Monate, um sich zu neuen Aufträgen zu entschließen. Vor zwei Jahren seien neue Projekte binnen zwei Wochen begonnen worden. Allgemein ist der Multimediamarkt dramatisch eingebrochen. Erst gestern wurde bekannt, dass die Hamburger Kabel New Media AG keine Rechnungen mehr begleichen kann. Der Aktienkurs sackte um 60 Prozent nach unten.
Für ihn sei gestern der schwerste Tag in seinem Berufsleben gewesen, erklärte Buddensiek. Die Entlassungen beträfen alle Unternehmensbereiche gleichermaßen, sowohl Programmierer als auch Projektmanager oder Designer müssten gehen. In Einzelgesprächen habe man die Betroffenen auf ihre neue Situation vorbereitet. So weit gewünscht, werde die Weitervermittlung der Gekündigten an Partnerunternehmen versucht.
Buddensiek hatte das Unternehmen als Aperto AG im Dezember 1995 gegründet. Zu seinen Kunden zählen Verlage wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung, deren Webauftritt Cell entwickelte. Die Internetseiten des Auswärtigen Amtes, des Sächsischen Landtages, der Hypo-Vereinsbank oder des Kulturkaufhauses Dussmann entstanden auf Cell-Network-Computern.
TILMAN STEFFEN
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