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Sieger Microsoft

Obwohl der Monopolvorwurf bestätigt wurde, scheint eine gütliche Einigung mit der US-Regierung möglich

BERLIN taz ■ So gelassen kann nur jemand sein, der viel Schlimmeres befürchtet hatte. Oder der viel Macht hinter sich weiß. Als Microsoft-Gründer Bill Gates gestern den Spruch des Washingtoner Berufungsgerichts mit seinen Mitarbeitern wie einen astreinen Freispruch feierte, wird es eher Letzteres gewesen sein. Dabei hatten die sieben Richter am Donnerstag zwar das Urteil der ersten Instanz, das die Aufspaltung des weltgrößten Softwarekonzerns verfügt hatte, aufgehoben. Sie bestätigten aber gleichzeitig, dass Micosoft sein faktisches Monopol missbraucht habe und dafür zur Verantwortung gezogen werden müsse.

Nun geht der Prozess, in dem eine gemeinsame Klage von US-Regierung und 20 Bundesstaaten verhandelt wird, zurück an die Vorinstanz. Diese muss neu festlegen, wie Microsoft an der Ausnutzung seiner dominanten Position gehindert werden kann. Richter Thomas Penfield Jackson, der die Zerschlagung im Juni 2000 beschlossen hatte, darf dabei nicht mehr mitreden. Er habe damals zu sehr Partei ergriffen und unverhältnismäßig hart geurteilt, hieß es im Spruch der Berufungsrichter.

Mehr Unterstützung erwartet der Multimilliardär auch aus Washington. Zwar hieß es gestern aus dem Justizministerium, man wolle sicher stellen, dass Microsoft seine Vorstöße nicht wiederholt. Dabei sei man aber offen für eine außergerichtliche Einigung. Von Präsident George W. Bush ist ohnehin bekannt, dass er findet, in den USA werde allgemein zu viel geklagt. Und sein Vizepräsident Richard Cheney hatte noch vor zehn Tagen Microsoft-Konzernchef Steve Ballmer empfangen, auch wenn es dabei offiziell um andere Dinge gegangen sein soll als das anstehende Berufungsurteil.

Zeit gewonnen hat Microsoft jetzt schon. Justizminister John Ashcroft warnte, die Kartellbehörden müssten nun eine „lange und sehr komplizierte Gerichtsentscheidung“ prüfen.

Spätestens bis dahin ist der konkrete Streitgegenstand für den Konzern sowieso längst kalter Kaffee. Vor vier Jahren hatte Microsoft, das den Markt für Betriebssysteme nach Angaben des Branchenverbandes CCIA zu mehr als 93 Prozent beherrscht, seinen Web-Browser Internet Explorer an Windows 95 gekoppelt. Das erleichterte Nutzern die Entscheidung für Microsoft und erschwerte die Installation von Software der Konkurrenz. Inzwischen gehört aber auch eine Abspielsoftware für Musik und Filme, der Windows Media Player, fest zum Betriebssystem. Sie wird standardmäßig gestartet, wenn der Nutzer auf eine Multimedia-Datei stößt. Das neue Betriebssystem, das am 25. Oktober auf den Markt kommen soll, erweitert die Zugänge zum Internet noch mehr. Weitere Projekte sind in der Entwicklung. An der nun endgültig für rechtswidrig erklärten Strategie scheint der Konzern also unbekümmert festzuhalten.

Experten sehen deswegen durchaus noch eine Chance, dass sich Justizminister aus den Einzelstaaten dann eben ohne die US-Regierung zu einer neuen Wettbewerbsklage durchringen. Folgt man den Äußerungen einzelner Minister aus den vergangenen Wochen könnte diese diesmal nicht nur den Browser zum Thema haben, sondern ganz grundsätzlich den Versuch von Microsoft, ständig neue Programme an sein Windows-Monopol zu koppeln. BEATE WILLMS

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