: Heimliche Importe für deutsche Bioforschung
US-Firma will embryonale Stammzellen bereits an deutsche Forscher ausgeliefert haben. SPD gegen und Grüne für Importstopp
BERLIN taz ■ Während die Politiker sich noch darüber streiten, ob embryonale Stammzellen nach Deutschland importiert werden sollen, haben Forscher vermutlich längst vollendete Tatsachen geschaffen. Die US-Biotech-Firma WiCell will nach eigenen Angaben deutsche Forscher bereits mit den umstrittenen Zelllinien, deren Herstellung hierzulande verboten ist, versorgt haben.
Das Unternehmen habe „in den letzten zwölf Monaten menschliche embryonale Stammzellen an deutsche Einrichtungen geliefert“, bestätigte Andrew Cohn, der Sprecher von WiCell in Madison im US-Bundesstaat Wisconsin, gegenüber dem Spiegel. WiCell gehört derzeit zu den weltweit drei Einrichtungen, die embryonale Stammzellen vermehrt haben. Konkrete Namen jedoch wollte der WiCell-Sprecher nicht nennen.
Skeptisch äußerte sich der Bonner Neuropathologe Otmar Wiestler. „Solange nicht Ross und Reiter genannt werden, gebe ich darauf gar nichts“, sagte Wistler, der zusammen mit seinem Kollegen Oliver Brüstle selbst mit importierten Stammzelllinien forschen möchte. Für völlig ausgeschlossen hält er, dass embryonale Stammzellen an deutsche Universitäten geliefert worden sein könnten: „Eine Lieferung an akademische Einrichungen kann ich mir nicht vorstellen, das wäre doch Selbstmord.“ Ausschließen kann er jedoch nicht, dass Firmen solche Zellen bezogen haben. Im Unterschied zu Universitätsforschern müssen Unternehmen ihre Forschungsvorhaben keiner Ethikkommission vorlegen. Die Zellen können somit – ganz legal – auch heimlich importiert werden.
Mit dem Import von Stammzellen werden sich heute Abend auch die Spitzenpolitiker von SPD und Grünen beschäftigen. Sie ringen schon seit Tagen darum, wie sie mit dem von der CDU/CSU angekündigten Antrag für ein vorläufigen Importstopp embryonaler Stammzellen umgehen sollen. Die Grünen würden am liebsten den Unionsantrag unterstützen. Doch das SPD-Präsidium stellte sich quer und legte – laut Spiegel auf ausdrücklichen Wunsch des Bundeskanzlers – ein Veto dagegen ein.
Dabei ist eine Entscheidung längst überfällig. Zwar hat der Kieler Biochemiker Stefan Rose-John angekündigt, den Import von Stammzellen so lange aufzuscheiben, bis ein Votum des Nationalen Ethikrates vorliege. Der Hannoveraner Herzspezialist Axel Haverich und der Göttinger Zellbiologe Peter Gruss gaben jetzt aber auch bekannt, dass sie Stammzellen importieren wollen. WOLFGANG LÖHR
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