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„Keine Lust auf Randale“

Der 18-jährige Gymnasiast Thomas K. wurde bei den Anti-EU-Protesten in Göteborg verhaftet und saß zwei Wochen in Untersuchungshaft. Warum, weiß er nicht. Freitag wurde die Anklage wegen „schwersten Landfriedensbruchs“ fallen gelassen

Interview HEIKE KLEFFNER

taz: Warum bist du zu den Protesten gegen den EU-Gipfel nach Göteborg gefahren?

Thomas K. (Name geändert): Ich wollte gegen die Abschottung der EU-Außengrenzen protestieren. Einer meiner Freunde an der Schule ist Asylbewerber, und der darf in Deutschland gar nichts.

Du bist zusammen mit vier anderen jungen Männern aus Berlin und Brandenburg am 15. Juni festgenommen worden und hast zwei Wochen lang in Untersuchungshaft gesessen. In welcher Situation wurdet ihr verhaftet?

Ich bin gemeinsam mit einem Freund am Freitagmorgen von einer Demonstration weggegangen, weil wir keine Lust auf Randale hatten. Wir haben lieber in der Sonne im Park gesessen. Irgendwann kamen noch andere Bekannte, und während wir zu zehnt auf der Wiese saßen, wurde auf der Straße ein ziviles Auto von einem Polizeiwagen gerammt. Der schwedische Fahrer wurde brutal von den Polizisten verprügelt. Daraufhin haben wir uns daneben gestellt und Fotos gemacht. Aber die Polizisten haben uns schnell weggeschickt. Als wir loszogen, ist uns ein Polizeihubschrauber gefolgt. Nach zwanzig Minuten kamen vier Polizeifahrzeuge auf uns zu.

Wie lief die Verhaftung ab?

Einige von uns sind gerannt, als die Beamten losstürmten. Mein Freund und ich sind stehen geblieben. Wir hatten ja nichts gemacht und dachten, wir hätten deshalb auch nichts zu befürchten. Die Beamten haben uns auf den Boden geschmissen, sich auf uns gekniet und mit Schlagstöcken gedroht.

Was wurde dir vorgeworfen?

Beim ersten Verhör wurde gesagt, ich wäre brutal gegen Polizeibeamte vorgegangen und hätte randaliert. Bei der Zwischenhaftprüfung hat der Staatsanwalt behauptet, ich sei in einer Gruppe gesehen worden, die gewalttätig gegen Polizeibeamte vorgegangen sein soll. Wir seien festgenommen worden, als wir uns maskieren und weiteren Sachschaden anrichten wollten.

Wie war die Untersuchungshaft, nachdem dein Haftbefehl verlängert wurde?

Ich saß in einer Einzelzelle, bekam keine Post, sondern nur Bücher und Geld, und habe in den ganzen zwei Wochen nur zwei andere Gefangene gesehen. Es wurde strengstens darauf geachtet, dass ich keinen Kontakt zu anderen hatte. Ich durfte weder meine Eltern noch die deutsche Botschaft anrufen. Bis auf meinen schwedischen Pflichtverteidiger durfte mich auch niemand besuchen. Ich weiß, dass es zwei anderen aus Brandenburg ziemlich schlecht geht. Sie sind nach der zweiten Haftprüfung am 29. Juni immer noch nicht rausgekommen, obwohl wir in der gleichen Situation verhaftet wurden.

Weißt du, warum du freigelassen wurdest?

Keine Ahnung. Wir waren selbst nicht bei der Haftprüfung dabei. Mir wurde nur gesagt, dass die Anklage fallen gelassen wurde und ich jetzt verschwinden solle. Dann stand ich ohne Geld plötzlich vor dem Gefängnis.

Hattest du vorher schon mal Ärger mit der Polizei?

Nein, das war erst die zweite Demo in meinem Leben.

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