: Multimediapole im freien Fall
Tomorrow-Aktie abgestürzt, Kabel insolvent, ID-Media macht dicht ■ Von Peter Ahrens
Vorstand Christian Hellmann könnte begeistert sein: Die Aktie seiner Tomorrow Internet AG ist bisher nur um 69 Prozent abgestürzt. Da geht es ihm im Vergleich zu seinem Kollegen Peter Kabel prächtig. Kabel New Media ist seit Montag ein Unternehmen im Insolvenz-Stadium. Und der Berliner Internet-Anbieter ID-Media hat den Standort Hamburg mit gut 40 MitarbeiterInnen völlig dicht gemacht. Drei Meldungen aus nur einer Woche – die Multimedia-Metropole Hamburg steckt tief im Tal.
Unternehmen wie Tomorrow sind nach dem Super-Boom des Vorjahres plötzlich im Teufelskreis gefangen: Multimedia-Firmen brechen vom Markt weg, damit verschwinden auch ihre Werbeetats, damit ist anderen Unternehmen die Grundlage entzogen, einer reißt den anderen mit. „Eigentlich ist die Aktie von Tomorrow ohne fundamentalen Grund in den Abwärtssog gerissen worden“, wunderte sich Hellmann bei der gestrigen Hauptversammlung der AG immer noch über die miese Situation. „Wir sind ein expansives Unternehmen, haben bisher unsere Prognosen eingehalten und übertroffen, nie eine negative Nachricht veröffentlicht – es hat alles nichts genutzt“, macht sich bei Tomorrow-Finanzchef Enrico Just „Frustration“ breit.
Dabei ist die Firma mit ihren 242 MitarbeiterInnen immer noch ein Musterknabe der Branche. Gestützt von dem Print-Umfeld des Milchstraßen-Verlags, aus dem die Firma hervorgegangen ist, macht Tomorrow Millionen-Umsätze und hofft, „das erste deutsche Internet-Medienunternehmen zu werden, das tatsächlich mit Inhalten Geld verdient“. Trotzdem geht auch Tomorrow „durch eine schwierige Zeit“, wie Hellmann das nennt. Die Tochter Tomorrow Technologies gestaltet zwar den Internet-Auftritt von Beate Uhse, weitere Großkunden lassen jedoch auf sich warten.
Peter Kabel hat Hoffnungen, wie Hellmann sie noch hegt, im Moment gänzlich aufgegeben. Der ehemalige „Unternehmer des Jahres“ kann mit dem Insolvenz-Verfahren nur noch retten, was zu retten ist. Mehr als die Ankündigung, bald in die Gewinnzone zu kommen, kam in den vergangenen Monaten nie heraus. Kabel-Kunden wie der Sportvermarkter ISL meldeten sich zahlungsunfähig, die Börsennotierung verschwand unterhalb der Messbarkeitsgrenze. Was aus den Arbeitsplätzen am Schulterblatt wird, ist unklar.
Mit Hamburger Jobs hat ID-Media schon kurzen Prozess gemacht. „Im Rahmen einer strategischen und gewinnorientierten Restrukturierung“ hat das Unternehmen mit Berliner Hauptsitz seinen Hamburger Betrieb geschlossen. In der offiziellen Mitteilung heißt es dürr: „Die AG trennt sich damit von rund 20 Prozent der Belegschaft.“
Damit es bei Tomorrow nicht so endet, hat die Belegschaft vorgebaut: Hellmann teilte mit, dass es seit wenigen Wochen einen Betriebsrat gibt. Bisher habe sich das „positiv auf die Atmosphäre innerhalb der Mitarbeiterschaft ausgewirkt“.
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