Biotech macht Profs zu Unternehmern

In der IT-Branche waren Studenten Akteure der Gründerzeit. Auch Professoren der Biotechnologie haben Probleme: Ihnen fehlen Marktkenntnisse

MÜNCHEN taz ■ Professor sein und nebenher eine Firma haben? Was auf den ersten Blick nicht ganz legal scheint, kommt in Deutschland immer häufiger vor. Genaue Daten über Professoren als Unternehmer gibt es zwar kaum. Aber die Zahl der Ausgründungen aus Hochschulen steigt stetig. In der Boombranche Biotechnologiebranche wurden vergangenes Jahr allein 332 Firmen gegründet. Damit steht Deutschland in Europa an der Spitze und mutmaßlich auch die Professoren, die sich rege am Gründerfieber in der Hightech beteiligten.

Professoren konzentrieren sich – wie Studenten – bei ihren Firmen auf die drei Bereiche Biochemie/Medizin, Physik und Wirtschaftsinformatik. Besonders lukrativ sind, trotz abgestürzter Börseneuphorie, Life-Science-Produkte und die Nanotechnologie mit ihren Halbleiteranwendungen. Ein Bereich, in den noch viel Hoffnung gesetzt wird, ist auch an der Schnittstelle zwischen Biotech und Physik mit den „Biochips“ entstanden. In der Geisteswissenschft finden sich Gründer nur vereinzelt, meist dort, wo sich das Fachgebiet mit IT verbinden lässt wie etwa bei sprachwissenschaftlichen Lernprogrammen.

Deutsche Universitäten tun sich bis heute schwer mit Unternehmern in ihren Reihen. Einzige rechtliche Grundlage ist bisher die Nebentätigkeitsverordnung. Sie erlaubt Akademikern, maximal einen Tag pro Woche in der Firma zu verbringen. „Diese Klausel schließt eine leitende Position in der Firma für einen Akademiker aus“, erklärt Christoph Zinser vom Gründerbüro der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Das sage aber nichts darüber aus, wie viel Material oder Ideen ausgetauscht werden dürfen.

Das starre deutsche Dienstrecht könnte also ein Stolperstein für Unternehmer aus den deutschen Wissenshochburgen darstellen. Denn in den USA, wo es ein vergleichbares Beamtenrecht nicht gibt, sind Ausgründungen immer noch wesentlich häufiger. Um den Anschluss nicht zu verpassen, locken jetzt auch die Bildungsminister aus Bund und Ländern mit Förderprogrammen, Beispiele sind „Exist“- oder das Technologietransferstellen verbindende „Flügge“-Programm in Bayern. Finanzspritzen und Beratung für innovative Ideen gab es dabei bislang vor allem für Studenten als Firmengründer.

Ein Professor, der eine Firma hat, geht der Forschung nicht automatisch verloren. So kann er auf geänderte Rahmenbedingungen oder neue Ideen schneller reagieren. Das Geben und Nehmen zwischen einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe und einer direkt angekoppelten Firma lässt sich bisher nur erahnen.

Die Unternehmer-Professoren müssen sich häufig vorwerfen lassen, die Lehre bei ihrem Ausflug in die Wirtschaft zu vernachlässigen. Und dabei auch noch doppeltes Gehalt einzustreichen. „Tatsache ist“, so Gründungsexperte Zinser, „dass der Hochschuldozent sich ab einem gewissen Punkt für das eine oder andere entscheiden muss.“ Viele Professoren treten daher oft nur als Berater, Mitbegründer oder als Gesellschafter in Erscheinung. Oder sie verlassen die Universität Schritt für Schritt.

Nicht nur das Dienstrecht wirkt hemmend auf Firmengründungen. Vor allem fehlt es Wissenschaftlern an kaufmännischen Fähigkeiten. Das deckte schon eine 1998 Studie auf. Was ein Professor braucht, um ein erfolgreicher Unternehmer zu werden, ist nach Meinung von Rainer Uhl, Botanikprofessor an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, der gute Riecher für den Markt.

Uhls vor acht Jahren gegründete Firma Till Photonics Firma entwickelt Systeme für Fluoreszenzmikroskope. Dabei liefert er Software und baut gleich das Mikroskop dazu, anwendbar beispielsweise, um an der lebenden Zelle Calciumströme zu bestimmen. Der Münchner Professor hat dazu weder betriebswirtschaftliche Seminare besucht noch staatlich geförderte Unternehmensberatungen in Anspruch genommen. Seine Devise lautete: „Learning by doing und die Freude an der Arbeit nicht verlieren.“

Um akademische und industrielle Forschung noch weiter zu verzahnen, schenkte Rainer Uhl seiner Firma eine akademische Schwester. Eine Einrichtung innerhalb der Universität, aber mit direktem Draht zur Till Photonics und dadurch zur Wirtschaft. Sie wurde 1997 unter dem Namen „Bioimaging Zentrum“ geboren und macht es möglich, Forschungsvorhaben nicht nur nach Geld-Aspekten auszuwählen. Damit kehrt der Biologe eigentlich wieder zu seiner klassischen Pflicht zurück: nämlich als Professor den Forschergeist zu fördern und nicht nach möglichen Renditen zu schielen.

KATHRIN BURGER