: Machtspielchen um Stammzellenimport
Koalition lehnt CDU-Antrag ab, fordert aber fast dasselbe: Bitte vorerst keine Forschung mit importierten Stammzellen
BERLIN taz ■ Eine freundliche Bitte soll es richten. SPD und Grüne werden morgen einen gemeinsamen Antrag zum Umgang mit embryonalen Stammzellen verabschieden. Darin heißt es: „Der Bundestag appelliert an alle Wissenschaftler und Forschungsinstitutionen“, einer politischen Entscheidung „nicht durch Schaffung von vollendeten Tatsachen vorzugreifen“. Damit reagiert die rot-grüne Koalition auf einen ähnlichen Antrag der CDU, die ein „Moratorium“ fordert.
Während die Bundespolitiker weiter Zeit schinden, hat gestern erstmals eine zuständige Landesministerin offen über die Hilflosigkeit der Politik angesichts des munteren Treibens der Stammzellenimporteure gesprochen. „Es ist nicht gut, wenn alle umstrittenen Vorhaben jetzt tröpfchenweise ans Licht kommen“, sagte Schleswig-Holsteins Kultusministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD). Sie sei erst am Montag informiert worden, dass neben der Universität Köln auch die Universität Lübeck embryonale Stammzellen importiert hat. Nun habe sie zu den betreffenden Forschern kein Vertrauen mehr, sagte Erdsiek-Rave.
Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) kennt zwar auch nicht alle Kühlschränke der Republik, in denen bereits importierte Stammzellen lagern. Sie ist sich aber sicher, dass zumindest an den staatlichen Forschungsinstituten derzeit nicht mit der heiklen Ware gearbeitet wird. Das habe eine „Schnellumfrage“ ihres Ministeriums ergeben, so Bulmahn.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) vertagte unterdessen erneut ihre Entscheidung über die Förderung der Forschung mit embryonalen Stammzellen: Man wolle die öffentliche Debatte nicht durch eine Förderentscheidung zum jetzigen Zeitpunkt beeinflussen. „Spätestens im Dezember“ solle aber eine Entscheidung fallen. Die DFG appellierte an die Politik, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen.
SPD und Grüne haben sich dafür jetzt eine Frist gesetzt. In dem Koalitionsantrag wird angekündigt, dass sich der Bundestag „noch in diesem Jahr“ mit der Stammzellenforschung befassen werde. Anders als die CDU will die Koalition vorher die Empfehlungen des Nationalen Ethikrates abwarten, den Bundeskanzler Gerhard Schröder am Parlament vorbei installiert hat.
Politiker aller Parteien warfen sich gestern gegenseitig taktische Spielchen vor. Die CDU-Abgeordnete Maria Böhmer nannte es „unbegreiflich“, warum sich die Koalition nicht einfach ihrem Antrag angeschlossen habe. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, warf der Union vor, sie habe nur provozieren wollen, „dass sich das wiederholt, was in Nordrhein-Westfalen passiert ist“. Dort hatten SPD und Grüne gegeneinander abgestimmt. Das hätte auch bei der Abstimmung über den CDU-Antrag im Bundestag passieren können – und wurde nun verhindert.
Auf der Suche nach einer Entscheidung über die Stammzellenforschung ist Rot-Grün aber keinen Schritt weiter gekommen. Der Streit zwischen roten Befürwortern und grünen Gegnern wurde nur verschoben.
LUKAS WALLRAFF
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