: Gezappte Zoten
■ „Shakespeare, Mörder, Pulp Fiction“: John v. Düffels intelligentes Kammerspiel
Der Wackeldackel hockt artig auf dem Fernseher, das Videotestbild steht still, leises Schnarchen ertönt. Ein Glatzkopf fläzt sich hier im Sessel, eingepennt, mit Schoßhündchen. So viel erkennt man, nachdem sich die Augen – vom hellen Licht des Sommerabends noch geblendet – an das Zwielicht des Oldenburger Lambertikellers gewöhnt haben.
Spärliches Schummern fällt blaugetönt durch die bleigefassten Fenster auf eine kleine Bühne im dunklen Gewölbe. Richard der Dritte wird gegeben in der Glotze, von Worten und Taten schwafeln da zwei maskierte Typen, denen Richard den Auftrag gibt, den Bruder Clarence zu töten. So will es Sir William Shakespeare schließlich, und die beiden flutschen vom Bildschirm auf die Bühne. Coole Typen: Sonnenbrille, Hut, Anzug, stilechter Tarantino. Den Außenspiegel am Arm geklemmt sitzen sie nun in ihrem fiktiven Straßenkreuzer, um das Land vom Grafen zu befreien.
Mit „Shakespeare, Mörder, Pulp Fiction“ hat die Kulturetage in der Regie von Björn Kruse ein leichtes Sommerkammerspiel produziert, das mit mehreren doppelten Böden arbeitet. Das Stück nach einer Vorlage John von Düffels (ehemals Dramaturg am Oldenburgischen Staatstheater) spielt intelligent mit den verschiedenen Rollen in der Rolle und legt total amüsant den Urgrund des Kriminalen frei: sexueller Frust und Sozialneid.
Der eine Mörder (Ulf Goerges) ist ein ziemlich verstoffelter Typ, dessen Frau Hure ist und auf ihrem Feierabend besteht. Der andere (Uwe Bergeest) wurde von seiner Frau verlassen, weil er statt Karriere zu machen lieber Bier getrunken hat. Und nun soll er büßen, Clarence, er, der alle Frauen gefickt hat, sogar Ann auf dem Sarg.
Deftig und zotig geht es zu, doch das gleitet nie ab, denn dafür spielt der Stoff mit zu vielen Ebenen gleichzeitig. Da zappt Ulf Goerges seinen Kumpel auf der Bühne mit der Fernbedienung an, der rappt jetzt mit Pudelmütze auf den Shakespearetext (Zapp aus: Freeze – Zapp an: Zappel), und so wird der Antriebsfrust für Mord als Lust am Sich-Produzieren sichtbar: von Shakespeare bis Tarantino, nichts als narzisstisch Gekränkte am Werk.
Das Stück wird zum amüsanten Ritt durch Zitate aus der Theater- und Filmgeschichte des schwarzen Genres. Vor allem Uwe Bergeest spielt die Rollen in der Rolle im rasanten Wechsel von Tempo und Duktus bis ins kleinste Mundwinkelzucken aus, während Ulf Goerges zaudernder Stoffel den Gegenpart gibt. Und zum Schluss verschwinden sie wieder, die Figuren, wie Schatten, in der schwarzen Flimmerkiste... bis zum nächsten Zapp. Marijke Gerwin
5., 6. und 7.7., 20.30 Uhr; 10., 11., 12., 13. und 14.7., 19 Uhr, 13. und 14.7. auch 23 Uhr im Lambertikeller. Karten:Tel.: 0441/92 48 00
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen