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Schlagabtausch um Schlagstöcke

Die Gewerkschaft der Polizei fordert die Ausrüstung der Beamten mit asiatischen Mehrzweckschlagstöcken, den so genannten Tonfas. Die Polizeiführung ist strikt dagegen. Sie befürchtet eine „innere Aufrüstung“ der Beamten

Der Unterschied springt sofort ins Auge: Der herkömmliche Polizeischlagstock besteht aus flexiblem Gummi und misst 40 Zentimeter. Der asiatische Mehrzweckschlagstock, Tonfa genannt, ist aus starrem Material, 60 Zentimeter lang und verfügt über ein rechtwinklig angebrachtes Griffstück. Das ermöglicht vielfältige Einsatzformen: Mit dem Tonfa kann nicht nur geschlagen und gestoßen werden. Angriffe können auch besser abgewehrt und Personen festgehalten und in der Bewegung blockiert werden.

Um den Tonfa ist in der Polizeibehörde eine Art Glaubenskrieg entbrannt. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert, dass sämtliche 15.000 Polizisten, die im Straßendienst eingesetzt sind, aus Selbstschutzgründen mit dem asiatischen Schlagholz ausgerüstet werden. „Die Kollegen wollen das“, betont der GdP-Vorsitzende Eberhard Schönberg. Die Polizeiführung indes ist strikt dagegen. Die Ablehnung wird nicht nur damit begründet, dass der Tonfa bei unsachgemäßer Handhabung außerordentlich gefährlich ist und ein hoher Trainingsaufwand erforderlich wäre. Er habe auch ethisch-moralische Probleme mit der flächendeckenden Einführung des Mehrzweckschlagstocks, sagt der Chef der Schutzpolizei, Gernot Piestert: „Meine Sorge ist, dass die äußere Aufrüstung auch zu einer inneren Aufrüstung führt.“ Sprich, dass die Hemmschwelle für den Schlagstockeinsatz niedriger wird.

Der Konflikt um die Ausstattung aller Polizisten mit dem Tonfa schwelt schon seit Jahren. Bislang ist es so, dass lediglich rund 2.100 Beamte der operativen Einheiten mit dem Tonfa ausgerüstet sind: Personenschützer, Fahnungs-, Aufklärungs- und Observationstrupps und ähnliche Sondereinheiten. Die Genehmigung ist an die Bedingung geknüpft, dass diese Beamten einen Grundlehrgang für die Benutzung des Tonfa absolvieren und die Kenntnisse in zehn Fortbildungen pro Jahr auffrischen müssen. „Die Schulung ist aufwendiger als das Jahresschusstraining an der Pistole“, sagt der Waffenexperte der Polizei, Wolfgang Bergmann.

Eine „flächendeckende Mannausstattung“ mit dem Tonfa ist bislang nur in Bayern und Bremen erfolgt. Einen Sonderweg geht Berlin aber in der Hinsicht, dass es das einzige Bundesland ist, das auch die geschlossenen Einheiten der Bereitschaftspolizei nicht mit dem Mehrzweckschlagstock ausgestattet hat. Und das, obwohl der Bund die gesamte Ausrüstung der Bereitschaftspolizei finanziert. „In unsere Einsatzphilosophie lässt sich der Mehrzweckschlagstock nicht integrieren“, sagt Bergmann. Die bewährte Berliner Technik bei gewalttätigen Ausschreitungen sei, ohne Schlagstock zu agieren, um die Hände für Festnahmen frei zu haben. Die Austattung der geschlossenen Einheiten mit dem Tonfa könne bei dem Gegenüber der Demostranten den Eindruck „polizeilicher Aufrüstung“ erzeugen, befürchtet Bergmann. „Martialisches Auftreten“ könne schnell zu einer „Aufstachelung“ führen. Zudem bestehe die Gefahr, „dass dem Land Berlin ein Stück liberale Denkweise verloren geht“.

Wenn es nach der GdP geht, sollen nicht nur die beiden Berliner Bereitschaftspolizeien mit dem Mehrzweckschlagstock ausgestattet werden, sondern alle Polizisten, die im Streifendienst tätig sind, einschließlich der Kontaktbereichsbeamten (Kobs). „Die Zahl der im Dienst verletzten Beamten hat sich in den vergangenen Jahren verdoppelt“, sagt der Vorsitzende Schönberg. Die Erfahrung aus Bayern zeige, dass mit Tonfas bewaffnete Beamte Angreifer wesentlich besser in Schach halten könnten. Selbst eine zierliche Beamtin habe dann gegen einen Zweimetermann eine Chance. Denn schon allein der Anblick des Mehrzweckschlagstocks wirke abschreckend. Das Argument der Polizeiführung, die Benutzung des Tonfa erfordere einen hohen Trainingsaufwand, der für alle Polizisten aus zeitlichen Gründen nicht leistbar sei, will die GdP-Chef nicht gelten lassen. „Die Sicherheit der Beamten muss Vorang haben.“

Der Chef der Schutzpolizei, Piestert, verweist demgegenüber auf eine Untersuchung seiner Behörde, in der alle Widerstandshandlungen und Körperverletzungsdelikte zum Nachteil von Polizisten zwischen dem 1. August und dem 31. Oktoberv 2000 ausgewertet worden seien. Von 431 notierten Angriffen sei die überwiegende Mehrzahl auch durch den Einsatz eines Tonfa nicht zu vermeiden gewesen, ist Piestert überzeugt. Dass die Polizeibasis so vehement nach der Waffe verlangt, vermag sich Piestert nur so zu erkären: Die Forderung komme vor allem von den jungen Leuten. Mit einem am Gürtel baumelnden Mehrzweckschlagstock sei „der Imponiergrad höher“. PLUTONIA PLARRE

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