: Die Maschine zeichnet selbst
■ Kein großer Wurf: Jahresausstellung an der HfbK
Mit Bars und Parties hat Mittwochnacht die Hamburger Hochschule für bildende Künste ihre traditionelle Jahresausstellung gefeiert. Dieses Jahr stoßen die Besucher beim Rundgang durch das Haus auffällig oft bei Fotografen, Bildhauern und Architekten auf ein Interesse an Gerümpelkombinationen, unaufgeräumten Ecken und verbauten Vorstadtsituationen.
Viel Platz nimmt auch die Kunst ein, die die Medien reflektiert: Da sind die Schwarz-Weiß-Bilder von Jeanette Fabis, die wie Nachtaufnahmen geheimnisvoller Tatorte wirken, tatsächlich aber gezeichnet und auf Fotopapier kopiert sind, oder die mit Computerhilfe hoch formalisierten Industriebilder von Michael Pfisterer. Es gibt die Metakunst maßstäblich präzise abfotografierter Malerei oder die wild vor sich hinkritzelnden Zeichenmaschinen von Stephan Mörsch. Interessant sind auch die Kombinationen von Zeichnung und Videoprojektion von Tine Bay Lührssen und der komplett gezeichnete Film der Odratek Productions aus der Klasse Alexander Roob/Georg Winter samt Betrachtersofa auf Kameraschienen.
Eher persönliche Erfahrungen reflektieren Sylke Rothers Einsatz eines Hundemodells auf Rollen, die fast pervers frühreif dargestellten Mädchen in den Zeichnungen von Mette Thiessen und die metergroße Kunststoffvagina von Dirk Meinzer. Auch in der Kunst vermehrt sich der Einsatz von Elektronik: Ironisch bei den Hi-Tech-Tentakelwesen von Sonja Vordermeier und seriös bei der Medienkunst des Instituts für Telenautik.
Doch Kunsterfolg ist ein hartes Brot, woran Katrin Sahners Sisyphus-Video erinnert: Durch eine sinnreiche Konstruktion entfernt sich eine Erdbeerschale, je näher die Hände ihr zu kommen suchen. Dennoch: Auch wenn in der Klasse von Cosima von Bonin Säbelgefechte zu Kunst werden, eine kämpferische oder gar verstörende Kunstauseinandersetzung ist bei einem Rundgang durch die Klassen kaum zu entdecken. Den Bürger stört bei alledem am meisten, wenn nach Mitternacht noch Fetzen von Musik aus der Kunstburg dringen. Dann nämlich kommt ganz real die Polizei und stellt mit ihrer Fragerei, wer denn hier verantwortlich sei, die wirklich grundlegenden Fragen.
Hajo Schiff
Jahresausstellung Hochschule für bildende Künste, Lerchenfeld; auch in den Gebäuden Wartenau 16 und Averhoffstraße 38; täglich bis 8. Juli von 14–20 Uhr.
Raum 229: Fr. 17.30 Uhr + Sa 20 Uhr: Diplomfilme; Fr 20 Uhr + Sa 16 Uhr: Junge Filme.
Raum 42: Fr 20 Uhr + So 17 Uhr: Säbelgefechte in der Klasse Cosima von Bonin
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