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Business goes Bio

■ Gratwanderung zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft: Bremer Bio-Milch für den Supermarkt – drei mal die Woche frisch in die Regale

Bio-Bauernhof – darunter stellen sich die meisten ein hübsches Fachwerkhaus mit angrenzender Butterblumenweide und zehn glücklichen Kühen vor. Gerhard Dehlwes aus Lilienthal zeigt, dass es auch anders geht: Sein Hof umfasst stolze 190 Hektar, beherbergt insgesamt 260 Kühe und hat nicht viel mit der Selbstverwirklichung eines Öko-Freaks zu tun. Trotzdem verkauft er Bio-Milch – und zwar im Supermarkt.

Wirtschaftliche Gründe waren es, die den Landwirt dazu bewegten, seinen Familienbetrieb auf ökologische Landwirtschaft umzustellen. Die unpasteurisierte Vorzugsmilch aus der eigenen Molkerei, mit der er zuvor seinen Lebensunterhalt bestritten hatte, war vor einigen Jahren als Überträger von Koli-Bakterien in Verruf geraten. „Ich hatte mich vorher nie mit ökologischer Landwirtschaft beschäftigt, aber ich konnte die Milch, so wie ich sie hatte, nicht mehr verkaufen“, erzählt Dehlwes, „also musste ich neue Wege gehen.“ Nach einer Umstellungszeit von zwei Jahren darf er sich seit November 1999 Bio-Landwirt nennen.

Als solcher will er Milch, Kefir, Joghurt, Kakao und Schlagsahne aus ökologischer Landwirtschaft für die breite Masse zugänglich machen. Dank seiner alten Kontakte zu verschiedenen Supermarktketten beliefert er nun etwa 50 Bremer Filialen direkt mit Bio-Milch, unter anderem von Extra und Comet. Die Milch, die mittwochs, samstags und sonntags auf dem Hof verarbeitet wird, liegt am nächsten Morgen in den Kühlregalen und ist oft schon nach einem Tag ausverkauft. „Da schlummert ein großes Potential,“ vermutet Dehlwes, „viel mehr Menschen würden Bio-Produkte kaufen, wenn sie nicht so lange danach suchen müssten.“

Frau Franck, die mit dem Ziel: „Ich kauf' jetzt irgend 'nen Joghurt“ ans Kühlregal des Comet-Marktes in Schwachhausen gekommen ist, nimmt dann auch gleich einen Becher des neu entdeckten Bio-Joghurts mit, sie begrüßt das Öko-Angebot im Supermarkt sehr: „Ich würde Bio-Produkte kaufen, auch wenn sie manchmal teurer sind.“ Für ihren 200g-Becher Naturjoghurt zahlt sie 89 Pfennig, ein Liter Milch kostet 1,59 DM.

Probleme hat König Kunde allerdings mit den Schlauchverpackungen, in denen Dehlwes Milch erhältlich ist. „Diesen Labberkram“ will auch Herr Neumann lieber nicht kaufen, er zieht den Tetra-Pak der Konkurrenz vor. Dennoch verkauft sich die Bio-Milch gut, wie eine Angestellte des Marktes erzählt.

Der Rohstoff Bio-Milch ist Mangelware, davon ist Bauer Dehlwes überzeugt. Rein technisch könnte er mit seinen Molkereianlagen die fünffache Menge an Milch verarbeiten, wenn diese nur vorhanden wäre. Eine Million Liter produziert er pro Jahr, dieselbe Menge verarbeitet Nordmilch an einem einzigen Tag. Dehlwes würde deshalb gerne wieder Milch von anderen Bio-Bauern aus der Region verarbeiten, so wie er das in der Umstellungszeit getan hat.

Außerdem wünscht er sich mehr Bauern, die auf Öko umsteigen, „aber das geht nicht so schnell, wie Frau Künast es sich vorstellt, die Landwirte müssen sich erst mit der Materie auseinander setzen.“ Die Abkehr von Monokultur mit Pestiziden und Kunstdünger erfordert viel Zeit und Know-How. Auch bei Dehlwes sind längst noch nicht alle Kühe glücklich: Bis endlich alle Stallanlagen den strengen ökologischen Richtlinien entsprechen, werden noch einige Umbauten nötig sein.

Auch sein eigener Speiseplan ist noch nicht bio-politisch korrekt: Im Gegensatz zu seinen Kühen isst er durchaus noch konventionelle Lebensmittel. „Ich achte inzwischen schon auf Inhaltsstoffe, aber früher bin ich auch mal bei McDonalds gelandet“, gesteht er. viv/be

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