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Sag niemals „Nain“ zur falschen Zeit

Die letzten Tage des alteingesessenen, aufrichtigen und wertanlageorientierten Teppichhauses Bley in München

Nichts, aber auch gar nichts bleibt dem preisbewussten Teppichfreund erspart . . .

Dabei hatte sich alles so hoffnungsvoll angelassen: Orient-Teppiche Bley, das Fachgeschäft im Herzen Münchens (eigene Importe, eigene Reparaturwerkstätte und 32 Jahre Erfahrung mit Tausenden zufriedener Kunden in ganz Bayern) annoncierte im April „Preise, die Sie garantiert nicht unter den Teppich kehren können!“.

Um 40–48 Prozent reduzierte Qualitätsware – welcher Knoten-Aficionado hätte da widerstehen können? Und stand der Name Bley nicht für absolute Seriosität in Teppichfragen? „Was wir Ihnen später anbieten werden, muss erst uns überzeugen! Deshalb fahren wir weiterhin jährlich für ca. vier Wochen nach Persien, direkt zu den Nomaden und Bauern in die verschiedenen Provinzen – der Qualität wegen . . .“

Man konnte sie sich lebhaft vorstellen, die Familie Kouloubandi-Bley, wie sie auf persischen Basaren, in bescheidenen Lehmhütten oder in den mit wertvollen Persern ausgelegten Nomadenzelten um die schönsten Stücke feilscht. Teppichkauf ist immer noch Vertrauenssache, und nach so manch schmerzhafter Erfahrung im Teppich-Abholmarkt wollten wir diesmal die mahnenden Worte des Prospekts beherzigen: „Sehr geehrte Kunden! Seien Sie auf der Hut vor Geschäftspraktiken wie aus Tausendundeiner Nacht: ‚märchenhafte‘ Teppiche zu ebensolchen Preisen, Totalausverkäufe, Versteigerungen etc. . . . Ein echter Orientteppich hat eben seinen Preis. Wussten Sie, dass beispielsweise ‚Nain‘-Teppiche vom Balkan bis China an unterschiedlichsten Orten (und in unterschiedlichsten Qualitäten) geknüpft werden? Nur ein ‚Echter‘ stammt aber aus Nain in Persien. Wenn Sie bei Orientteppiche Bley einen ‚Nain‘ kaufen, dann erwerben Sie wirklich eine Wertanlage. Auf unsere Aufrichtigkeit sind wir stolz. Damit Sie auch stolz sein können auf einen Orientteppich Ihres Geschmacks!“

Wer kann da „Nein“ sagen? Ich nicht. Seitdem also schmückt ein garantiert nicht von balkanesischer Kinderhand geknüpfter „Nain“ mein bescheidenes Heim.

Doch kaum waren zwei Wochen ins Land gegangen, flatterte ein neuer, noch farbenprächtigerer Prospekt von Bley ins Haus. „Die Sensation in München . . . behördlich genehmigter Total-Ausverkauf wegen Geschäftsaufgabe . . . bis zu 54 Prozent reduziert.“ Waren das nicht ebendie unseriösen Geschäftspraktiken, vor denen das erste Faltblatt so überzeugend gewarnt hatte? Ein schwerer Tag für den düpierten Schnäppchenjäger, aber hier hieß es kühlen Kopf behalten. Besser gleich noch einen hochwertigen Läufer gekauft, bevor Bley seine orientalischen Pforten für immer schließt.

Aber eine schwere Zeit stand bevor. Seit Anfang Mai verging keine Woche, in der das alteingesessene Teppichhaus Bley nicht neue Hammerpreise annoncierte und so an die altehrwürdige Tradition orientalischer Märchenerzähler anknüpfte. Hier der Fahrplan des Grauens:

21.–27. 5.: Zeitlich begrenzte Zwangsliquidation. Preise radikal bis zu 62 Prozent reduziert.

28. 5. 3. 6.: Die Zeit wird knapp! Die letzten Tage – nein, nicht der Menschheit – des Teppichhauses Bley. Jetzt werden alle Stücke bis zu 67 Prozent reduziert!

18.–24. 6.: Der vorläufig unwiderrufliche Höhepunkt: die Verwertungstage, an denen alle Teppiche ohne Ausnahme, selbst die unschätzbaren Stücke aus der Schatzkammer, um bis zu 71 Prozent reduziert werden.

Damit hat Familie Kouloubandi-Bley zum definitiven Tiefschlag ausgeholt und den ahnungslosen Frühkäufer endgültig auf den – Allah sei Dank mit hochfloriger Knüpfware ausgelegten – Boden geschickt. Bleibt nur abzuwarten, welche Überraschungen Bley im Juli „auf Lager“ hat. RÜDIGER KIND

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