: Dauerstress programmiert
Drogen-Experten kritisieren Handlungskonzept St. Georg: „BewohnerInnen werden weiteren Belastungen ausgesetzt“ ■ Von Elke Spanner
Zwischen 15 und 20 Kilogramm harter Drogen werden Tag für Tag in Hamburg konsumiert: Heroin, Kokain und Crack im Wert von rund fünf Millionen Mark. Eine einzelne DealerIn auf der Straße trägt davon maximal ein bis zwei Gramm bei sich, versteckt in Mund und Magen. Stellt die Polizei dies durch das Einflößen von Brechmitteln sicher, greift sie damit „nur einen Bruchteil der auf dem Markt verfügbaren Drogen ab“. Deshalb, so gestern der Arbeitskreis Drogen der „Hamburgischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren“, wird die vom Senat nun abgesegnete Brechmittelvergabe an DealerInnen „keine Auswirkungen auf die Drogenszene zeigen“.
Nicht nur den Einsatz von Brechmitteln lehnen die Drogen-Fachleute kategorisch ab. Auch der Abtransport ausländischer HändlerInnen an die Stadtgrenzen sowie künftige Polizeieinsätze auch gegen die KonsumentInnen der Rauschmittel wird ihrer Ansicht nach die Situation in St. Georg eher verschärfen als entlasten: „Es wird eine große Hatz auf die Süchtigen geben“, prognostiziert Anke Mohnert vom „Café Sperrgebiet“. Seit in der Szene Crack aufgekommen ist, stünden die KonsumentInnen ohnehin unter ständigem Stress, der sich in zunehmender Aggressivität äußere. Werden die Leute in Zukunft zusätzlich noch von der Polizei unter Druck gesetzt, „wird dadurch Dauerstress im Stadtteil produziert“, bestätigt auch Norbert Dworsky von „freiraum“. Am Hauptbahnhof sei die Szene dann vielleicht nicht mehr sichtbar. Die BewohnerInnen von St. Georg aber müssten sich auf zusätzliche Belas-tungen einstellen.
Auch dass der Senat eine weitere Fixerstube verspricht, ändere daran nichts. Erforderlich seien mindes-tens 40 bis 50 weitere Konsumplätze für Junkies und zusätzliche Angebote für die KonsumentInnen von Crack. Gerade für die Mädchen und jungen Frauen, die das „Café Sperrgebiet“ und „Ragazza“ aufsuchen, sei der neue Druckraum kein Angebot. „Die Mädchen gehen nicht in gemischte Einrichtungen“, so Mohnert. Denn nur in den reinen Frauenräumen würden sie über die Gewalt sprechen, die sie erlebt haben. Da die meisten Crack rauchen, bräuchten sie ohnehin keine Fixerstuben, sondern Rauchplätze.
Ginge es dem Senat tatsächlich auch um Hilfen für die Suchtkranken, müsste er zunächst Schlafplätze und Rauchräume einrichten sowie ÄrztInnen finanzieren, welche die oft sehr verelendeten KlientInnen medizinisch versorgen. Die neue Fixerstube sei nicht nur wegen der geringen Kapazitäten „eine Lachnummer“, so Rainer Schmidt aus dem Arbeitskreis. Lächerlich sei auch, dass die GAL als politischen Erfolg feiert, dass der Druckraum nun eröffnet werden soll: „Das steht schon seit vier Jahren im Koalitionsvertrag mit der SPD.“
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