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Das sanfte Plätschern der Brunnen

taz-Serie „Schrille Läden“ (Teil 3): Im Charlottenburger „H 2 O“ gibt es, wie der Name schon sagt, nichts als das Naturgut Wasser. Und alles was damit zu tun hat. Vom Vitalisator über Badeperlen bis hin zu wassergefüllten Einlegesohlen

von KIRSTEN KÜPPERS

In den 80er-Jahren gab es einmal eine schöne Folge der Familiensendung „Wetten dass ...?“. Zwei Männer versprachen, dass sie unterschiedliche Mineralwassersorten allein am Geschmack erkennen könnten. Mit ernsten Gesichtern probierten die beiden Herren die vielen anonymisierten Wassergläser durch, die Frank Elstner ihnen reichte. Am Ende gewannen sie die Wette. Und viele Fernsehzuschauer reagierten danach auch im eigenen Leben ein wenig sensibler auf die verschiedenen Geschmacksrichtungen dieses schlichten Getränks.

Vielleicht kann man es sich so erklären, dass es in Charlottenburg inzwischen ein Geschäft gibt, dass sich ausschließlich mit Wasser beschäftigt. Vermutlich liegt es jedoch einfach an der besonderen Einzelhandelsstruktur dieses Stadtteils, die einem, seit man hier einmal den Laden für Hexenbedarf entdeckte, schon lange keine Rätsel mehr aufgibt.

Das Geschäft „H 2 O“ ist nun also auf das Naturgut Wasser spezialisiert. Und wer den Ladenraum betritt, erkennt, dass es sich hier um eine sehr freundliche Unternehmensidee handelt. Das sanfte Plätschern vieler Zimmerspringbrunnen ersetzt anstrengende Kaufhausmusik. An der Wand hängen blau verschwommene Wasserbilder. Unmittelbar stellt sich Entspannung ein.

Die Waren in den Regalen wirken dagegen zunächst unspektakulär: gläserne Flaschen, metallene Geräte, gummierte Schläuche. Diese Produkte greifen ihre Käufer eher still und langsam an. Kleine Wunder können sich solche Gelassenheit leisten: Zum Beispiel der unscheinbare silberne Filter für den Wasserhahn. Tatsächlich handele es sich hier um nicht weniger als einen „Vitalisator“ für Leitungswasser, also eine „wertvolle Lebensquelle für Pflanzen, Tiere und die ganze Familie“, erklärt die nette Verkäuferin. Oder die Badeperlen. Sie „energetisieren“ das langweilige heimische Badewasser.

Die unauffälligen braunen Fläschchen im Regal daneben enthalten gar Tropfen einer seltsamen brasilianischen Pflanze, die nicht weniger als ein „erfülltes Liebesleben“ herstellen. Zwischen all den Levitationsmaschinen, Sauerstoffwassern und Klärgeräten versteckt sich demnach in diesem Wassergeschäft ungemein viel sagenhaftes Werkzeug für die großen Unzulänglichkeiten des Lebens. Und wer fürchtet im rohen Betrieb des modernen Alltags unterzugehen, sollte sich hier bestimmt umsehen. Am besten von allen Gebrauchsgegenständen des Ladens gefielen allerdings die Einlegesohlen für Schuhe. Sie sind mit Wasser gefüllt und bieten damit auch gewöhnlichen Großstadtmenschen hübsche Erweckungserlebnisse. Denn selbst auf der Straße läuft man mit diesen Einlegesohlen auf Wasser.

H 2 O Der Wasserladen, Bleibtreustr. 3, 10623 Berlin

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