: Europarat: Deutschland doch nicht so rassistisch
Innenminister Schily zufrieden. Nach seinem Aufschrei relativiert der Vizegeneralsekretärdes Europarats den Kommissionsbericht über anhaltende Fremdenfeindlichkeit in Deutschland
BERLIN taz ■ Otto Schily durfte sich gestern freuen. Der wütende Protest des Bundesinnenministers gegen einen Bericht des Europarats über Fremdenfeindlichkeit in Deutschland hat Wirkung gezeigt. „Die Bundesrepublik tut sehr viel, um Rassismus und Antisemitismus zu bekämpfen“, sagte der Vizegeneralsekretär des Europarats, Hans Christian Krüger, in einem Zeitungsinterview. „Man kann wahrlich nicht sagen, dass die Deutschen die Hände in den Schoß legen.“
Damit widersprach Krüger der vom Europarat selbst eingesetzten Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (Ecri). Sie hatte der Bundesregierung in ihrem Bericht vorgehalten, „dass Themen wie Rassismus, Antisemitismus, Fremdenhass und Intoleranz erst als solche erkannt und bekämpft werden müssen“. Deutschland sei eine Gesellschaft, „in der schwere rassistisch motivierte Gewalttaten begangen werden“, stellte die Kommission fest. „Die politischen Maßnahmen haben sich als unzureichend bei der effizienten Bekämpfung dieser Probleme erwiesen.“
Schily hatte auf den Bericht empört reagiert: „Die Menschen, die das aufgeschrieben haben, kennen Deutschland nicht.“ Angeblich soll Schily sogar gedroht haben, die deutschen Zuschüsse an den Europarat zu streichen. Sein Sprecher wies entsprechende Berichte jedoch zurück.
Waren es also nur die deutlichen Worte, die in Straßburg Eindruck gemacht haben? Der deutsche Vizegeneralsekretär des Europarats versuchte jedenfalls, die Wogen zu glätten. Der Bericht sei „überspitzt“, sagte Krüger, Deutschland tue viel gegen Fremdenhass – die Kommission habe das „nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht“. Schily ließ gestern erklären, er sei mit dieser „Präzisierung“ zufrieden.
Laut Spiegel ist die Kritik der Kommission vor allem den beiden Berichterstattern zuzurechnen, die im Oktober 2000 Deutschland besuchten. Die Makedonierin Elizabeta Gorgieva und der Türke Gün Kut hätten ihre harte Linie bei der Bewertung Deutschlands mit Rücktrittsdrohungen durchgesetzt. Ein „Brandbrief“ von Schilys Staatssekretär Claus Henning Schapper an den Ecri-Vorsitzenden Nikos Frangakis sei wirkungslos geblieben. Darin habe das Innenministerium die Kommissionseinschätzung als „falsch und ungerecht“ bezeichnet. Doch die Kommission blieb bei ihrem Urteil und dankte in ihrem Bericht „den nationalen Behörden in Deutschland für die gute Zusammenarbeit“.
LUKAS WALLRAFF
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