: Pleitegeier über Potsdam
Die Regierung Stolpe steckt in der Krise: Verluste der Landesentwicklungsgesellschaft LEG in Millionenhöhe reißen riesiges Loch in Brandenburger Haushalt. Land muss Defizite ausgleichen
von ROLF LAUTENSCHLÄGER
Nach dem Bankenskandal in Berlin stürzt nun auch Brandenburg durch eine Immobilienaffäre in die Krise. Nach Berichten eines von der Potsdamer Staatsregierung beauftragten Wirtschaftsprüfungsunternehmens sowie des Rechnungshofes droht die Pleite der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG), ein noch größeres Loch als befürchtet in den angeschlagenen Haushalt (rund 19,5 Milliarden Mark) zu reißen. Das gestern der SPD-CDU-Koalition im Kabinett vorgelegte Papier geht von Verlusten der LEG von 300 bis 400 Millionen Mark aus. Schätzungen beziffern die Einbrüche der landeseigenen Projekt- und Immobiliengesellschaft sogar auf eine Milliarde Mark. Die LEG-Defizite muss das Land Brandenburg übernehmen.
Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) sagte vor der Sitzung, er wolle versuchen, einen Konkurs der LEG abzuwenden. Allerdings müssten sowohl die exakte Höhe des entstandenen Schadens als auch die Verantwortlichkeiten geklärt werden. In dem Papier sind nicht alle notwendigen Zahlen über die LEG aufgelistet. Stolpe machte darum auch keine Aussage über eine mögliche Übernahme aller Defizite durch das Land.
Die vor 10 Jahren gegründete LEG war vom Bauministerium eingerichtet worden, um auf den Konversionsflächen neue Wohn- und Gewerbestandorte im großen Stil zu entwickeln. Saniert werden sollten u. a. das Olympische Dorf von 1936 bei Staaken oder die frühere sowjetische Militärstadt in Wünsdorf. Zum Fiasko wurden für die LEG nicht nur die überzogenen Vermarktungsprognosen, sondern auch gravierende Mängel im Management. Wünsdorf musste gestoppt werden, weil sich keine Käufer finden ließen. Im Olympischen Dorf liefen Schulden in dreistelliger Millionenhöhe auf. Beide Geschäftsführer, Germanus Pause und Wolfgang Heitmann, wurden in die Wüste geschickt.
Schlecht kalkuliert hatte die LEG auch beim Verkauf unbrauchbarer Ackerflächen Mitte der 90er-Jahre für die Erweiterung des Flughafens Schönefeld. Außerdem kritisierte der Rechnungshof jetzt, dass das Tochterunternehmen „LEG-Wohnen“ viel zu günstig und ohne Wertgutachten an die Deutsche Kreditbank für 20 Millionen Mark verschleudert wurde.
Bereits im vergangenen Jahr überstiegen die Schulden der LEG deren Stammkapital von 100 Millionen Mark. Angesichts mangelnder Liquidität hat das brandenburgische Parlament sich jetzt entschieden, der LEG keinen 53-Millionen-Mark-Zuschuss zu gewähren, sondern die Prüfung zu beantragen.
Scharf attackierten der Koalitionspartner CDU sowie die PDS die LEG und das SPD-Finanzministerium. Bevor über eine Liquidierung oder Entschuldung der Entwicklungsgesellschaft entschieden werden könne, müssten „alle Fakten schonungslos auf den Tisch“, sagte CDU-Innenminister Jörg Schönbohm. Er forderte von Finanzministerin Dagmar Ziegler (SPD), dass sämtliche Bilanzen des maroden Unternehmens in den Prüfbericht aufgenommen werden sollten. Die Zeit des „Schönredens“ müsse ein Ende haben, so der Innenminister. Schönbohm sprach von einer schweren Belastung für die Landesregierung.
Die PDS-Landtagsfraktion in Brandenburg monierte die mangelhafte Kontrolle der LEG. Die finanzpolitische Sprecherin der Partei und Vorsitzende des Finanzausschusses des Landtags, Kerstin Osten, warf der Landesregierung vor, unzureichend über die Situation der LEG informiert zu haben. Sie könne sich derzeit nicht vorstellen, wie eine Rettungsaktion für die Gesellschaft aussehen solle. PDS-Fraktionschef Lothar Bisky erklärte: „Es kann nicht gut gehen, wenn so viel am Parlament vorbeigeht.“ Landtag und Regierung hätten die LEG und ihre Tochtergesellschaften stärker kontrollieren müssen.
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