piwik no script img

Tunten-Trash mit Tiefgang

■ Alles Unheil dieser Welt in bunter Verpackung: Die „Teufelsberger“ zeigt „Comedy für Deutschland“

Ein Männerballett? Nein, das würde dem schrägen Quintett, das sich - anmutig auf seine eigene Art und Weise - in weißen Kleidchen auf der Bühne schlängelt, nicht gerecht werden. Sie sind zwar Männer, aber sie sind noch mehr. Sie sind die Kandidaten beim Minipopstar-Casting, die Gesangsgruppe aus dem Erzgebirge und die abgefuckten Talkshow-Gäste bei „Vera nach dem Essen“.

Die fünf Berliner Damenherren der Teufelsberg Produktion, mancher würde sie unschön einfach Tunten nennen, haben eigentlich keine wahre Identität, zumindest spielen sie jede Rolle so überzeugend, dass man ihnen jede immer wieder auf's Neue abnimmt. „Comedy für Deutschland“ heißt das Programm, mit dem sie derzeit beim Jungen Theater im Güterbahnhof gastieren. Eine trashige Persiflage auf alles, was uns Deutsche so bewegt.

Da ist Ades Zabel in der Rolle der Edith Schröder, die auf dem Weg zur Talkshow mit der Kühlbox im Gepäck aus dem Nähkästchen plaudert: „Wenn ich beim Sommerschlussverkauf durch die Menge pflüge, machen alle Türken Platz.“ Später hockt sie im Tigerlilly-Dress in der Talk-Runde und gesteht, sie habe ihren Mann auf dem Gewissen. Das Thema lautet „Deutschlands Frauen zünden ihre Männer an“. Jutta („Ich hasse meine Freundin“), die mit der In-Kneipe in Neukölln, wettert über die Kühlbox-Schnepfe, die ihr die Gäste aus dem Etablissement vertreibt und setzt dabei kleine, etwas plumpe Seitenhiebe auf das Outing Klaus Wowereits und anderer Politiker. Mandy („Ich finde es asozial, dass Neuköllner nicht eine zweite Chance bekommen“) rückt ihren Kunstbusen zurecht und schlägt sich wiederum auf Ediths Seite. Das Gezeter beginnt.

Es ist auf den ersten Blick schlüpfriger Mainstream-Witz, der das Wesentliche aber zwischen den Zeilen sagt. Allerdings nur denjenigen, die bereit sind, dort zu lesen. Da stecken nämlich hinter den mehr als anrüchigen Erklärungen über die Praktiken der Schrittfeuchten-Messung ernste Themen, wie Kindesmissbrauch, Behinderung, Drogenabhängigkeit oder zerrüttete Familienverhältnisse.

Das Programm – übrigens eine schauspielerische wie improvisatorische Höchstleistung – wird immer wieder unterbrochen durch Kurzfilme aus der inzwischen über 20 Jahre langen Geschichte der Teufelsberger. Die ersten „Underground Super acht Filme“ zeigen eine Barbie-Puppe und ein gerupftes Hühnchen beim Liebesspiel oder ziehen die Vorabendserie „Drei Damen vom Grill“ durch den Kakao. („Du, Marjot, der Otto is mir einfach ins Messer jerannt. Det globt mir doch keener.“) Die schrillen Vögel haben wie es scheint eine sehr schillernde, exzessive Vergangenheit. Man kann es lieben, wenn die Girlie-Band „Schweiß-Girls“ auf der Bühne in Lederminis „Du fickst mich nicht“ rockt und sich mit schmadderigen Feinripp-Schlüpfern bewerfen lässt. Man kann es aber auch einfach nur abstoßend finden. Die Girlies sind übrigens genauso kaputt wie vorher die Talkshow-Gäste: Manu mit den Rasta-Zöpfen ist manisch-depressiv, Hürriyet mit türkischem Akzent hat ihren Mann überfahren und Ditsche mit einer Haltung wie der Glöckner von Notre Dame spritzt sich Backtriebmittel.

Die Teufelsberger schocken – wenn, dann richtig. Sie sind weiblicher als frau es sein könnte und dabei zeigen sie ohne Schnörkel die brutale Alltags-Realität. Die der Prostituierten Ukrainerin Urszula, die eigentlich Ärztin ist, aber nach Deutschland kam, um mehr Geld verdienen zu können. Die des Scheidungskindes Andrea, das die Mutter mit einer Drachen-Handpuppe darstellt. Aber es ist nicht nur das, was einen Abend mit den Berliner Tunten – man möge die Bezeichnung entschuldigen - so erfüllend macht. Es sind Auftritte wie die der in Plastikfolie eingehüllten menschlichen Welle, die am Ende à la Titanic den Vamp an der Reeling ersäuft. Es kann so erfrischend sein, bei allem Unheil dieser Welt auch manchmal aus tiefstem Herzen loslachen zu können. Spo

Die Teufelsberg Produktion spielt „Comedy für Deutschland“ noch bis zum 14. Juli täglich um 20.30 Uhr im Jungen Theater/Güterbahnhof.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen