: Neuer Markt bald ganz neu
Pleitekandidaten und Firmen mit einem geringen Börsenwert sollen vom Kurszettel gestrichen werden. Negativ-Image des Neuen Marktes bringt Deutsche Börse unter Zugzwang. Neue Regeln sind noch für diesen Sommer geplant
BERLIN taz ■ Auf die anhaltende Schwäche des Indexes für den Neuen Markt Nemax (gestern sank der Wert zeitweise auf einen neuen Tiefststand von 1.138) reagiert die Börse Frankfurt mit einer drastischen Maßnahme: Unternehmen, deren Wert längere Zeit unter einem Limit liegt, sollen vom Kurszettel verschwinden. Das bestätigte gestern Walter Allwicher, Sprecher der Deutsche Börse AG. Zuvor hatten mehrere Unternehmen erwogen, wegen des schlechten Rufs des Nemax aus dem Index auszusteigen.
Um das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen, sollen die Regeln noch in diesem Sommer geändert werden: Unternehmen, die sich in Insolvenz befinden oder Firmen deren Aktien eine bestimmte Zeit lang unter 1 Euro notieren, so genannte Penny Stocks, sollen künftig vom Kurszettel gestrichen werden. Ein weiteres Kriterium für ein derartiges Delisting, der prozentuale Verlust einer Aktie zum Emissionspreis oder zum ersten Börsenkurs, wollte die Deutsche Börse nicht bestätigten. Vorbild für das neue Regelwerk könnte die US-Technologiebörse Nasdaq sein. Sie verfügt bereits über ein ähnliches System. Wird ein Aktienwert unter 1 Dollar notiert, so bekommt das Management des betroffenen Unternehmens einen „Blauen Brief“ mit der Aufforderung gegenzusteuern. Die Firma hat dann 90 Tage Zeit, um ihren Verbleib auf dem Kurszettel zu sichern. Nur wenn es dem Unternehmen gelingt, an zehn aufeinander folgenden Handelstagen über das 1-Dollar-Limit zu kommen, ist es aus dem Schneider. Gelingt dies nicht, wird das Unternehmen über den unmittelbar bevorstehenden Rauswurf informiert. Das Management hat dann sieben Tage Zeit, um eine Anhörung zu beantragen und das Delistung zu verhindern.
„Die Geburtsfehler des Neuen Marktes machen sich jetzt bemerkbar“, sagte Reinhild Keitel, Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre, gegenüber der taz. Sie begrüße daher die Pläne zu den Delisting-Regeln. Allerdings müsse es eine Übergangsfrist von mindestens zwei Monaten für Unternehmen geben, die unter den alten Bedingungen am Neuen Markt gestartet sind, um die Interessen der Kleinanleger zu schützen. Es solle kein Rausschmiss über Nacht erfolgen. Keitel hält es für sinnvoll, dass insolvente Unternehmen weiter gehandelt werden. Die Aktien könnten dann am geregelten Markt notiert werden. Eine Kennzeichnung insolventer Unternehmen mit einem bestimmten Kürzel wäre begrüßenswert.
NORBERT PAGEL/MARIUS ZIPPE
kommentar SEITE 12
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