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„GLAUBT MIR“: SIMEON II. WILL BULGARIEN REGIERENAngst vor einem nackten König

Nun also doch: Seine Majestät lassen bitten. Fortan wird Simeon II. nicht nur den Retter Bulgariens, sondern auch den Regierungschef des Balkanstaates geben. Ganz freiwillig war diese Entscheidung nicht, vielmehr stand der König seit drei Wochen unter massivem Druck. Schließlich waren die Wahlen vom 17. Juni, bei denen Simeon mit seiner Nationalen Bewegung einen überwältigenden Sieg einfuhr, nichts anderes als ein Referendum für den nach über 50 Jahren aus Spanien heimgekehrten Monarchen. Und auch in so einer jungen Demokratie wie Bulgarien goutiert es das Volk nicht, wenn man sich über seinen Willen hinwegsetzt.

In der hastig zusammengezimmerten Königsbewegung mit meist jungen, dynamischen, auslandserfahrenen Wirtschaftsfachleuten drängte sich zudem niemand für den Posten des Premierministers auf. Überdies musste sich Simeon seine präsidialen Ambitionen zumindest kurzfristig abschminken. Denn für die Verfassungsänderung, die ihm als Neubürger Bulgariens eine Kandidatur um das höchste Staatsamt im kommenden Herbst ermöglichen würde, dürfte kaum die erforderliche Dreifünftelmehrheit zusammenkommen.

Nun, da das Versteckspiel ein Ende hat, muss Simeon das tun, was er am liebsten vermieden hätte: Farbe bekennen und politische Verantwortung übernehmen. Die Steilvorlage seines Vorgängers Iwan Kostow dürfte ihm dabei zugute kommen. Der hat in vierjähriger Kärrnerarbeit immerhin dafür gesorgt, dass zumindest die Wirtschaftsdaten dem Land eine positive Entwicklung bescheinigen und sich Bulgarien eines zunehmend positiven Images im Ausland erfreut.

Doch das reicht den Menschen nicht. Sie werden den König jetzt beim Wort nehmen, der nichts Geringeres propagiert, als den Lebensstandard innerhalb absehbarer Zeit spürbar anzuheben und dem Grundübel Korruption zu Leibe zu rücken.

Daher werden Simeons Landsleute mit Argusaugen beobachten, ob der Monarch seinen flammenden Appell „Glaubt mir!“ in pragmatische Tagespolitik umzusetzen imstande ist. Oder ob am Ende doch nur das bittere Fazit bleibt, dass der König nackt ist.

Doch auch andere werden die Entwicklung des bulgarischen Experiments aus der Distanz heraus interessiert verfolgen. Denn Simeon II. ist nicht das einzige Relikt vergangener monarchistischer Zeiten auf dem Balkan. Ob nun Michail von Rumänien, Prinz Alexander Karadjordjević von Serbien oder Lek Zogu aus Albanien – sie alle könnten versucht sein, Simeon nachzueifern, sollte der sich bewähren. Zogu versuchte sein Comeback 1997 in Tirana – und scheiterte. Doch das muss nicht sein letzter Versuch gewesen sein. BARBARA OERTEL

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