: Parolenpsychologie
Warum drischt jemand eine platte Parole nach der nächsten, während ein anderer lieber auf sachliche Argumentation setzt? Psychologie und Sozialpsychologie haben nach Ursachen geforscht.
Herausgefunden haben sie, dass hinter den Parolen mehr steckt als zu wenig Hirn und zu viel Promille. Denn zwischen den Zeilen lässt sich einiges über die Kneipenrhetoriker lesen: Stammtischparolen enthüllen die Seelenzipperlein ihrer Propagandisten. Die fühlen sich oft benachteiligt, haben Schwierigkeiten, mit Widersprüchlichkeiten im Leben umzugehen und sind oft von persönlichen Ängsten geplagt.
Stammtischbrüder und -schwestern plappern sich ihre Psyche stabil, indem sie sich mit Vorurteilen Lebensorientierung schaffen und eigene Verhaltens- und Sichtweisen bestätigen. Und das geht so: In der Wirklichkeit des gemeinen Klischeefetischisten herrscht Krisenstimmung. Um diese ertragen zu können, macht er andere dafür verantwortlich – vorzugsweise Fremde, Außenseiter und Minderheiten. Auf sie kann der Sprücheklopfer dann praktischerweise alles Negative, was er an sich selbst wahrnimmt, abwälzen. Die anderen werden dann lächerlich gemacht, angefeindet und diskriminiert – und dies oft sehr laut, sehr autoritär und sehr aggressiv.
Die Wissenschaft erklärt sich solch aggressives Verhalten unterschiedlich: Im Sinne einer Triebtheorie, die von Sigmund Freud und Konrad Lorenz befürwortet wurde, liegt Aggressivität schlichtweg in der Natur des Menschen. Freud entwickelte ein Modell, nach dem das menschliche Verhalten von unbewussten Selbsterhaltungs-, aber auch Zerstörungstrieben bestimmt ist. Sie verstärken sich, wenn sie unterdrückt werden. Lorenz klassifizierte Aggression in seinem Buch „Das sogenannte Böse“ als Instinktverhalten, beim Tier wie beim Menschen.
Ein anderes Erklärungsmuster legte der Psychologe John Dollard zugrunde. Nach seiner Hypothese gehen der offenen Aggression zunächst frustrierende Erfahrungen voraus. Lerntheoretiker wie Burrhus Frederic Skinner und Albert Bandura wiederum glaubten, dass Menschen aggressives Verhalten erlernen. Dieses verstärke sich, wenn sie damit bestimmte Erfolge erzielen.
Argumentationstrainings und Vorträge zum Thema werden in Nordrhein-Westfalen von vielen Bildungsträgern angeboten. Beispielsweise am 25. August in der Familienbildungsstätte Bonn, Fon: (02 28) 63 31 18, sowie am 23. und 24. November im Synodaljugendpfarramt in Recklinghausen, (0 23 61) 20 65 00. Weitere Termine gibt es bei den Volkshochschulen des Landes: in Köln (6. September), in Leverkusen (13. September), in Erftstadt (21. und 22. September), in Kierspe (22. September), in Viersen (22. und 23. September sowie 29. und 30. Oktober), Euskirchen (27. Oktober), Würselen und Lünen (10. November) und Geldern (17. November). Informationen erhält man beim Landesverband der Volkshochschulen Nordrhein-Westfalen, (02 31) 95 20 58-18.
Literatur: Klaus-Peter Hufer: Argumentationstraining gegen Stammtischparolen. Materialien und Anleitungen für Bildungsarbeit und Selbstlernen, Wochenschauverlag, Schwalbach 2001, 112 Seiten, 20 Mark. (Der Band ist übrigens auch kostenlos erhältlich über: Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen, Fax: (02 11) 6 79 77 33, E-Mail: poststellelzpb@mswwf.nrw.de.
YVONNE GLOBERT
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