: Anzeichen für einen Ritualmord
Satanistisches Pärchen gesteht Bluttat: Der Mordauftrag stamme „vom Teufel“
BERLIN taz ■ „Satan gab mir den Befehl zu töten“, sagte der 25-jährige Daniel R. bei der polizeilichen Vernehmung in Bochum. Damit unterschied er sich nur in einem Wort von seiner Frau Manuela: Sie will den Mordauftrag vom „Teufel“ empfangen haben. „Die Angaben der beiden decken sich mit dem Tatortbefund“, bestätigte Polizeisprecherin Ingrid Laun-Keller.
In der Wittener Wohnung des Paares war ein 33-jähriger Mann auf bestialische Weise mit zahllosen Messerstichen und Hammerschlägen ermordet worden. Das Paar hatte den Mann am Freitagabend zu sich in die Wohnung eingeladen. Als er eintraf, so Staatsanwalt Dieter Justinsky, habe ihr Tatentschluss bereits festgestanden. In den Vernehmungen hätten beide weder Schuld noch Reue gezeigt. Auch einen Anwalt wollten die beiden Beschuldigten nicht. Alkohol oder Drogen hätten bei der Tat keine Rolle gespielt.
Auf die Spur der Täter kam die Polizei durch einen Abschiedsbrief der jungen Frau an ihre Mutter, in dem sie ihren Selbstmord ankündigte. Die daraufhin alarmierte Polizei fand in der Wohnung des Paares die bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte Leiche des Opfers. Das Ehepaar R. war nach Thüringen geflüchtet. Im thüringischen Sondershausen hatten 1993 drei Gymnasisten den 15-jährigen Sandro Beyer erdrosselt. Einer der Täter, Hendrik Möbus, hatte sich in der Haft der rechtsextremen Szene angeschlossen und wurde noch in der Bewährungszeit wegen mehrerer Propagandadelikte und der Verunglimpfung des Mordopfers verurteilt. Er flüchtete in die USA, wo er beim Chef der rechten „National Alliance“, William Pierce, Unterschlupf fand. Zielfahnder spürten ihn auf. Noch in der Abschiebehaft beantragte er politisches Asyl. Möglicherweise wollten die mutmaßlichen Mörder von Witten an dem zweifelhaften Ruhm von Möbus teilhaben. Auch damals war zunächst von einem „Satansmord“ die Rede.
Im Opel Vectra von Manuela R., der mit einem Pentagramm und der Zeile „Soko Friedhof“ beschriftet war, fand die Polizei nach dem Zugriff bei Jena eine Gaspistole und ein Messer.
Kenner der Szene raten trotz der Anzeichen für einen „Ritualmord“ zu Nüchternheit. Nach Einschätzung von Joachim Keden, Sektenbeauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland, ist der harte Kern der Satanistenszene sehr klein. „Ich gehe von höchstens 300 Personen im Rheinland aus.“ Trotzdem sei zu befürchten, dass Eltern von Jugendlichen, die sich der Gothic- oder Gruftie-Szene zugehörig fühlen, durch den Mord sehr verunsichert würden. Doch es sei falsch, Jugendsatanismus mit Gewalttaten wie in Witten in Zusammenhang zu bringen. Meist handle es sich um ein vorübergehendes Phänomen.
Auch Ingo Weidenkaff von der AG Thüringer Kinder- und Jugendschutz in Erfurt warnt vor voreiligen Schlüssen. „Natürlich wird sich die hiesige Gruftie- und Gothic-Szene melden, um sich von der Tat zu distanzieren.“ Doch gerade in Thüringen sei es nach verstärkten Razzien der Polizei um den rechten Teil der Black-Metal-Szene „sehr ruhig“ geworden, so Weidenkaff. Bei dem Paar handle es sich möglicherweise um „psychopathologische Persönlichkeiten“. Diese Frage werde während des Strafverfahrens untersucht, sagte die Polizeisprecherin. ANJA BAUMERT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen