: Leberwurstgrau
■ Baustelle Bremen: Studenten erklären den Umbau /Manche schreien, andere klagen, viele wollen einfach nur einen Stadtplan
Alles hatte so schön angefangen. Bei der Vorstellung der Kampagne hatten die SenatorInnen Christine Wischer (SPD) und Josef Hattig (CDU) noch ganz doll mit dem neuen Baustellenmonster Buddel gekuschelt. Jetzt ist der quietschorange bekittelte Wuschelmaulwurf da: 50.000 Buddels bevölkern die Bremer Schaufenster, die gesamte Stadt ist zugepflastert mit supersüßen Buddel-Plakaten. Auch im Info-Container vor dem Rathaus ist einer zu finden. Info-Container? Aber ja, auch der ist Teil der fast eine Million Mark teuren Werbekampagne des Senats für den Umbau der City (Kosten: 75 Millionen Mark).
Nicht nur Buddel ist eine Kopie des Berliner Baustellenmaulwurfs, auch einen Info-Container gab's bis vor kurzem noch in der Hauptstadt. Nur: In Berlin zog die „Infobox“ für die Riesen-Baustelle am Potsdamer Platz im Lauf der Jahre Millionen Besucher an. In Bremens Infobox, einem roten Baucontainer mit leberwurstgrauem Interieur, schaut auch ab und zu mal einer vorbei: „Grüß Gott! Gibt's hier einen Stadtplan?“, fragen die Bayern, „Hom'se en Schdadtblon?“, sächseln die anderen. Bremen ist nicht Berlin.
Ja, es gebe solche Fragen häufig, weil die Baustelle derzeit die Touristikinformation verdecke, meint Martin Buß, der heute im Info-Container Dienst schiebt. Ein trister Raum mit Schreibtisch, der Glasvitrine mit Buddel und ein paar Bauzeichnungen an der Wand. Draußen tobt das Bremer Einkaufsleben, hier drinnen ist es ziemlich ruhig. Buß ist einer der Bauingenieurs-Studenten, die von Montag bis Samstag Anwohnern und Passanten Rede und Antwort stehen sollen. „Wir haben bis zu zehn Anfragen pro Stunde“, sagt Buß. Warum Bremen keine U-Bahn habe, wollen die Leute wissen. Und warum die Straßenbahn eigentlich nicht durch die Martinistraße fahre. Manchmal kämen auch schreiend Leute rein, beklagten sich, „wer das denn bezahlen“ solle. „Dann verschwinden sie meist wieder ganz schnell“, meint der Info-Mann. Klagen von den Geschäftsleuten in der Langenstraße, die durch Bagger und Absperrgitter um ihre Kundschaft und damit fast um ihre Existenz gebracht werden, „leite ich natürlich weiter“, sagt Buß.
Dabei hat er selbst intimste Baustellen-Infos zur Hand, alles zusammengefasst in einem 38-seitigen Handbuch. Wann die Bagger wo anrücken werden, dass es bald angestrahlte Fassaden in der Obernstraße gibt und dass zwischen die Gleise Granitpflaster kommt. Wie damals das Pflaster am Bahnhof, das nach einiger Zeit ausgetauscht werden musste. Buß weiß Bescheid: „Aber da fahren auch keine Gelenkbusse drüber. Das Pflaster hier ist absolut stabil.“
Noch ist also alles relativ ruhig in Bremens Infobox. Das könnte sich bald ändern. Noch buddeln die Bauarbeiter nur im Gleisbett der Straßenbahnen (noch bis Ende September). Bald sollen jedoch die Arbeiten auf dem Trottoir beginnen (bis Mitte November). Buß erwartet deutlich mehr Klagen, wenn die Arbeiten direkt vor den Schaufenstern und Eingängen der Geschäfte stattfinden. Aber für mehr Stress hat der Info-Mann noch Kapazitäten frei: Derzeit büffelt er noch einen Gutteil seiner Infozeit an Aufgaben für die Universität. ksc
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