Picknick mit Elton

Ein Keyboard mit Flügelhülle: Elton John sang in der Waldbühne seine großartigsten und seine peinlichsten Lieder

Gleich am Eingang isst ein Mann eine Wurst. Er gleicht Elton John aufs Haar. Das kann nicht sein. Elton John ist längst auf der Bühne, das ist nicht Elton John. Verstört gucken die Umstehenden.

Die Waldbühne ist nur zu drei Vierteln gefüllt, so dass alle ihren Star mal aus der Nähe sehen könnten, wenn sie wollten. Sie wollen aber nicht. Elton glitzert auch von ganz weit weg noch genug. Viele Leute haben sich einen Picknickkorb mitgebracht, den sie nun auf den hintersten Rängen auspacken, Nudelsalat und Käsespießchen, und dazu ein bisschen mit dem Fuß wippen. Das Durchschnittsalter liegt etwa bei vierzig. Man sieht Mütter mit zwanzigjährigen Töchtern, auch manches schwule Paar. Neben mir sitzt ein Mann in Jeans und Mokassins, der in einem Reclam-Heftchen mit dem Titel „Die Entzifferung alter Schriften und Sprachen“ liest. Vielleicht bereitet er sich auf seinen Deutschunterricht vor.

Elton John ackert sich derweil tapfer, ja fröhlich durch sein Programm. Er singt das wunderbare „Rocket Man“ und kurz darauf „Blue Eyes“. Ganz puristisch und allein auf der Bühne sitzt er dabei an seinem Flügel, der ab und zu wie eine Orgel klingt. Ein Keyboard mit Flügelhülle? Oft gesehen, aber immer noch erstaunlich, wie gut dem kleinen Mann sein Paillettensakko steht. Mit jeder Geste strahlt er aus: Ich bin nicht mehr der dicke Junge, der am Reck rote Flecken im Gesicht bekommt und auf dem Schulhof abseits steht. Ich habe bewiesen: Ihr Ungeliebten, flüchtet einfach nach vorn, und ihr bekommt eure Chance. Und wenn ihr es geschafft habt, holt euch so schnell nichts mehr vom Sockel. „I’m still standing“, singt Elton, und ihm ist bitterernst damit. Weder Drogenexzesse noch andere Skandale haben ihm den Ruhm versaut. Auch den Respekt der Szene hat er nicht verloren, obwohl er die peinlichsten Lieder des Pop singt, ein Abschiedslied für eine Prinzessin zum Beispiel. Pünktlich zum abschließenden „Candle in the Wind“ bricht der Himmel in Tränen aus. Alle sind glücklich. SUSANNE MESSMER