Von der Speerspitze des Kapitals zur globalen Caritas

Der Internationale Währungsfonds solle allen dienen, nicht nur den reichen Ländern, fordern Kritiker vor dem Wirtschaftsgipfel von Genua

BERLIN taz ■ Vor dem Wirtschaftsgipfel von Genua fordern dessen Kritiker eine grundsätzliche Reform der internationalen Finanzbeziehungen. Die Arbeit des Internationalen Währungsfonds müsse komplett umgestaltet werden, um mehr Gerechtigkeit für die „Staaten des Südens“ zu erreichen, sagte Barbara Unmüßig gestern. Als Vorsitzende der Organisation Weed (Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung) spricht sie auch für einen Teil der Demonstranten, die am kommenden Wochenende in Genua protestieren wollen. Ab Freitag treffen sich in der italienischen Hafenstadt die Regierungen der wichtigsten westlichen Wirtschaftsnationen, darunter der USA, Japans und Deutschlands sowie Russlands.

Weed fordert, die „Industriestaaten des Nordens“ dürften den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht länger als Rammbock der Liberalisierung missbrauchen. Der Fonds solle den Mitgliedsländern bei Finanzkirsen helfen und ihnen Geld in Form von Krediten zur Verfügung stellen, um ihre Währung stabil zu halten. Diese Hilfeleistung dürfe jedoch nicht länger an die üblichen Bedingungen des IWF gebunden werden, die in der Regel auf die Deregulierung der Märkte des betreffenden Landes und einen zunehmenden Einfluss ausländischer Banken und Finanzinvestoren hinauslaufen.

„Die ordnungspolitische Disziplinierung der Länder des Südens muss überwunden werden“, so Weed-Vorstand Rainer Falk. Er kritisierte die Haltung der rot-grünen Bundesregierung, die sich die weitere Liberalisierung der internationalen Finanzmärkte auf die Fahnen geschrieben habe.

Um den IWF von den Interessen der Industriestaaten zu emanzipieren, muss der Fonds laut Weed eine eigene Verfügungsgewalt über Finanzmittel erhalten. Dies könne geschehen, indem etwa eine neue Steuer auf grenzüberschreitende Devisentransaktionen erhoben werde.

Außerdem, so Weed, müssten die Mehrheitsverhältnisse im Fonds geändert werden. Heute verfügen Europa und die USA über 47 Prozent der Stimmrechte. Die reichen Länder bestimmen damit die Politik des Fonds, während die ärmeren Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas gezwungen sind, die Bedingungen des IWF für die Kreditvergabe zu akzeptieren.

HANNES KOCH