Ministerpräsident mit Ecken und Kanten

Der bisherige Außenminister von Bosnien und Herzegowina, Zlatko Lagumdzija, ist jetzt auch Regierungschef

Außenminister war er ja schon. Dass Zlatko Lagumdzija, der 46-jährige Antinationalist, Reformer und Chef der Sozialdemokratischen Partei Bosnien und Herzegowinas am Mittwoch zum Ministerpräsidenten des Landes gewählt worden ist, hat er dem Rücktritt des etwas glücklosen Vorgängers Bozidar Matić zu verdanken. Der war daran gescheitert, dass das vom Office of the High Representative vorgeschlagene neue Wahlgesetz im Parlament nicht angenommen wurde. Und das Wahlgesetz kam nicht durchs Parlament, weil Lagumdzija dagegen war. Für seinen Geschmack kommt das Gesetz nämlich immer noch den Nationalisten zu sehr entgegen.

Lagumdzija wird sich nicht scheuen, auch mit den internationalen Organisationen, die in Bosnien und Herzegowina ein halbes Protektorat errichtet haben, zu streiten. Und das, obwohl es von der Annahme des Wahlgesetzes abhängt, ob Bosnien und Herzegowina in den Europarat aufgenommen wird. Das möchte der überzeugte Europäer. Aber auch, dass Bosnien und Herzegowina ein normaler Staat wird.

Dass es 2000 zu einer politischen Wende in Bosnien und Herzegowina kommen konnte, ist nicht zuletzt Zlatko Lagumdzija zu verdanken. Sein Wahlkampf wurde zu einem großen Erfolg, weil er ernsthaft die Probleme des Landes ansprach.

Der 45 Jahre alte Professor für Computerkommunikation und Elektrotechnik riss bei den Wahlkampagnen im Jahre 2000 seine Zuhörer mit. Lagumdzija erläuterte Hausfrauen, Kriegsinvaliden, Lehrern, Handwerkern und Arbeitslosen seine Politik: Bosnien und Herzegowina müsse sich zu einem modernen Staat entwickeln und als multiethnischer, demokratischer Rechtsstaat wiedererstehen. Die Hindernisse für eine neue Politik würden durch die nationalistischen Parteien aufgerichtet, die an ihre Macht, nicht jedoch an die Gesellschaft dächten. Bosnien und Herzegowina müsse Reformen durchlaufen, versuchen, alle Hemmnisse für die Wirtschaftsentwicklung zu beseitigen. „Wir brauchen ein modernes Schulsystem, wir leben im 21. Jahrhundert“, rief er und verwies darauf, dass das von nicht nationalistischen Parteien regierte Tuzla schon während des Krieges, 1993, in den Oberstufen der Schulen Computerkurse eingeführt hatte.

Die ethnische Ökonomie sei eines der Hindernisse, sagte Lagumdzija, der der bosniakischen (muslimischen) Volksgruppe angehört. Er meinte damit, dass rückkehrende Vertriebene in den Mehrheitsgebieten der anderen Volksgruppen keine Chance hätten, einen Job zu bekommen. Das im gemeinsamen sozialistischen Staat entwickelte Volksvermögen hätten nationalistische Machthaber usurpiert.

Schon bei den Kommunalwahlen im April 2000 gewann die SDP die Mehrheit in vielen Gemeinden, sogar in Sarajevo, das bislang von der Izetbegović-Partei SDA beherrscht war. Als der sich als brillanter Redner erweisende Professor das Abkommen von Dayton kritisierte und eine Verfassungsänderung forderte, legte er sich mit der internationalen Gemeinschaft an. Er kritisierte die Spaltung des Staates in die zwei ethnisch ausgerichteten Entitäten. Und dieser Meinung ist er bis heute. Die Wähler gaben im Herbst 2000 den nicht nationalistischen Parteien die Mehrheit im Parlament des Gesamtstaates. Mit Lagumdzija ist sicherlich kein Jasager zum Ministerpräsidenten gewählt worden. ERICH RATHFELDER