Schwule vor Gericht

In Ägypten erregt ein Prozess gegen 52 homosexuelle Männer großes Aufsehen

aus Kairo ASTRID FREFEL

Eine Warnung in roten Lettern steht auf zahlreichen Seiten ägyptischer Homosexueller im Internet: „Der ägyptische Staatssicherheitsdienst kann dich verfolgen. Vermeide es, dich immer am gleichen Ort einzuloggen.“ Unter den Schwulen und Lesben Ägyptens geht die Angst um, seit im Mai 52 Männer in einer Kairoer Disco auf einem noblen Nilboot verhaften worden sind. Nur Ägypter wurden abgeführt, die anwesenden Ausländer in Ruhe gelassen. Am Mittwoch begann der Prozess gegen die allesamt unter 35-jährigen Männer.

Da Homosexualität im ägyptischen Recht nicht ausdrücklich erwähnt ist, lautet die Anklage auf „Missbrauch der Religion zur Verbreitung extremistischer Ideen“ und „unmoralische Praktiken“. Darauf stehen in Ägypten bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Die Razzia auf dem Nilboot löste in ägyptischen Zeitungen eine Welle homosexuellenfeindlicher Berichte aus, teilweise wurden die Namen der Verhafteten und sogar die genauen Adressen ihrer Arbeitsplätze veröffentlicht. Kein Wunder, dass die Angeklagten am ersten Prozesstag versuchten, ihre Gesichter vor den Linsen der Fotografen zu schützen. „Wir wurden verhaftet, ohne dass Beweise gegen uns vorliegen“, schrie einer der Männer, die in weißer Kleidung vor Gericht geführt wurden. Einige Familienangehörige gingen wütend auf Journalisten los.

Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international haben den Prozess scharf kritisiert, weil die Angeklagten nur wegen ihrer vermuteten sexuellen Orientierung vor Gericht stünden. Dieser Fall veranschauliche einige der schlimmsten Eigenschaften des ägyptischen Rechtssystems. Das Verfahren findet nicht vor einem normalen Straf-, sondern vor einem Staatssicherheitsgericht statt. Diese Sondergerichte waren 1981 eingerichtet worden, um gegen militante Islamisten vorzugehen. Gegen ihre Urteile ist keine Berufung möglich. Die Vermutung liegt nahe, dass ein Exempel statuiert werden soll. Beobachter gehen davon aus, dass die ägyptische Regierung ein neues Gesetz rechtfertigen will, das Homosexualität unter Strafe stellen soll.

Menschenrechtsorganisationen und Angehörige berichten, dass die Inhaftierten während ihrer Verhöre gefoltert wurden. Die Haushälterin eines der Männer sagte der Cairo Times: „Er wurde ausgepeitscht, mit Elektroschocks gefoltert und mit Hunden bedroht.“

Öffentliche Demonstrationen von Schwulen und Lesben sind in Ägypten unvorstellbar. Homosexualität ist in dieser konservativen Gesellschaft ein Tabu, das von der muslimischen Bevölkerungsmehrheit genauso aufrechterhalten wird wie von der christlich-koptischen Minderheit. Die meisten ägyptischen Homosexuellen sind deshalb gezwungen, ein Doppelleben zu führen. Nicht nur für sie selbst, sondern für ihre ganze Familie würde es als Schande angesehen, würden sie sich offen zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen.

Ägypten steht nicht alleine mit der gesellschaftlichen Ächtung von Homosexualität. Im Juni haben zahlreiche islamische Länder gemeinsam versucht, die Teilnahme von Schwulen- und Lesbengruppen an der UN-Aids-Konferenz zu vereiteln. Mit der rasanten Verbreitung des Internets in Ägypten haben Homosexuelle in den letzten Jahren ganz neue Kontaktmöglichkeiten erhalten. Gleichzeitig ermöglichen es die Webseiten der ägyptischen Polizei aber auch, sich in die Szene einzuschleusen.