: Keine tote Hose in der Helene
■ Perspektiven für die Puff-Straße: Das erste Treffen zwischen Huren und Politik räumte mit vielen Missverständnissen auf / Jetzt wollen die Prostituierten an der Umgestaltung mitwirken
Bremens sündige Meile muckt auf. Die Huren in der Helenenstraße gehen auf die Barrikaden: Sie wollen über die Zukunft des Rotlichtviertels mitentscheiden. Das war das Ergebnis des ersten Treffens zwischen den Helenen-Huren und Viertelbürgermeister Robert Bücking (Grüne), das von der taz initiiert worden war.
„Tote Hose“, „Rotlicht aus“, „Kein Verkehr in der Helenenstraße“ – das waren die jüngsten Schlagzeilen über den Kiez. „Das ist geschäftsschädigend“, sagt Monika (Name geändert). Sie ist stinksauer. „Seit den Zeitungsartikeln kommen weniger Kunden. Es läuft nicht mehr gut, aber es läuft längst nicht so schlecht, wie viele schreiben. Sonst würden wir doch hier nicht weiter arbeiten.“
Sieben Uhr abends, es ist ruhig in der Helene: Vielleicht zehn Mädchen räkeln sich in ihren Fenstern. In Monikas Arbeitswohnung hängen Erotikfotos an der Wand, Dildos liegen unter dem Nachttisch, das Bett ist mit rotem Samt bezogen. Sie nennt sie „Butze“, eine kleine Kellerwohnung in einem der Nachkriegs-Flachbauten der Helene. Die Tür hat sie selbst gestrichen, neue Rotlichtlämpchen aufgehängt. Monika hat etwas gegen die Feuchtigkeit im Flachbau getan. Monika ist seit über 20 Jahren Prostituierte. Die Helene ist für sie eine Art sozialer Puff: „Ich war schon auf jedem Strich von Kiel bis München“, meint Monika. „Hier ist es am besten: Keine Luden, niedrige Mieten, kein Gewaltsex. Das ist unsere Straße. Hier gehen wir nicht weg.“
Viertelbürgermeister Bücking war bei seinem „ersten Treffen“ mit den Huren überrascht. Nicht nur, dass hier, wie die Frauen betonen, 45, nicht nur 10 Frauen anschaffen – das hatte in der Presse gestanden. „Ich bin auch davon ausgegangen, dass sich hier eine Sex-Brache entwickelt hat. Ein Anzeichen dafür war, dass die Grundstückpreise enorm gesunken sind. Deshalb haben wir angefangen, uns Gedanken über die Helene zu machen.“ Der Grund für Bückings Begehrlichkeiten: Das gesamte Viertel rutscht ab. Junkies, Alkies, Kriminalität, leere Läden. Da ist die Helene mit ihren 27 Grundstücken, auf denen fast nur die Behelfs-Flachbauten stehen, fast wie jungfräuliches Bauland. Bücking: „Die Helenenstraße ist das einzige Gebiet am Steintor, das man noch entwickeln kann.“ Er kann sich viel vorstellen: Hotels, Wohnungen, Geschäfte, ein Parkhaus oder auch ein Pflegeheim, in dem die Prostituierten ihren Lebensabend genießen können.
Ein Altersheim? Da können die Prostituierten nur lachen. Für sie sind Arbeit und Privates strikt getrennt. „Schwachsinn“ findet Ramona (Name geändert) Bückings Idee, die Mauer abzureißen, die begehrliche Blicke am Straßeneingang abwehren soll. Ramona: „Macht uns unseres bürgerliches Leben nicht kaputt.“ Außerdem meint sie: „Nicht wir, sondern das Steintor ist das Problem. Abends ist auf den Straßen nichts mehr los.“ Zusammen mit der Polizei hätten sie bislang die Verslumung ihrer Straße stoppen können, sagen die Professionellen. Auch Hamburger Sex-Kapitalisten, die aus der Helene ein Eros-Center à la Reeperbahn machen wollten, hätten hier keine Chance gehabt.
Nicht nur die sind bei den Prostituierten an der falschen Adresse gewesen: Monika zeigt das Schreiben eines Maklers, der sich mit den Damen unterhalten will, weil er gehört habe, dass „in der Helenenstraße Veränderungen anstehen.“ Dabei gehören zwei Drittel der Straße einer Erbengemeinschaft, die Frauen zahlen 1.000 Mark Miete im Monat. Angeblich wollen die Erben nicht verkaufen.
In einem sind sich alle einig: Für den Puff müssen Perspektiven her. Die Frauen wollen mehr Grün in der Straße, vielleicht ein Café an der Ecke, eine Riesen-Werbetafel am Eingang – und weitere Gespräche mit dem Ortsamt. Viertelchef Bücking ist da zumindest nicht abgeneigt. Noch seien die Planungen in vollem Gang: „Wichtig ist nur eins“, sagt er den Huren. „Ihr müsst euch daran beteiligen.“ ksc
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