: Abgeordnete blicken ab heute auf das neue Kanzleramt
Mit eineinhalbjähriger Verspätung bezieht jetzt ein Teil der Abgeordneten des Bundestages das Paul-Löbe-Haus im Parlaments- und Regierungsviertel
Mehr als ein Jahr nach dem Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin kann nun zumindest ein Drittel der Bundestagsabgeordneten in die Büros einziehen. Vor dem nur wenige Meter vom Reichstagsgebäude entfernten Paul-Löbe-Haus – vis-à-vis dem Bundeskanzleramt – werden am Montag die ersten Umzugskisten ausgepackt.
Eigentlich sollte das nach dem langjährigen sozialdemokratischen Reichstagspräsidenten in der Weimarer Republik benannte Gebäude bereits Ende 1999 fertig sein. Die eineinhalbjährige Verzögerung ist wohl auch der Grund für den eher sang- und klanglosen Einzug ohne Party. Als Grund für die erheblichen Verspätungen gibt die für die Gebäude zuständige Bundesbaugesellschaft Berlin (BBB) vor allem Probleme mit dem Berliner Baugrund an. Mehrere Wassereinbrüche taten ihr Übriges. Und zu guter Letzt gab es auch noch Schwierigkeiten mit einem Brandschutzsystem.
Im Paul-Löbe-Haus sind jetzt tatsächlich die 510 Büros für 170 Abgeordnete fertig. Bis Anfang August werden sich die Parlamentarier voraussichtlich eingerichtet haben. In den 21 Sitzungssälen sowie in der großen Rotunde und den Restaurants muss in der Sommerpause noch gewerkelt werden. Doch pünktlich zu Beginn der Sitzungsperiode im September soll alles fertig sein, verspricht BBB-Sprecher Andre Lundt.
Eng verbunden ist das Gebäude mit dem östlich der Spree gelegenen Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in dem unter anderem die Parlamentsbibliothek und wissenschaftliche Dienste untergebracht sein werden. Ende 2002 soll das nach der FDP-Politikerin und Pädagogin benannte Gebäude übergeben werden. Zum ersten Spatenstich war noch von Ende 2000 die Rede. Aber immerhin verbindet die beiden Gebäude seit Frühjahr dieses Jahres eine doppelstöckige Brücke mit einem unteren Steg für den öffentlichen Verkehr sowie einem Übergang für die Mitarbeiter in Höhe des fünften Stockwerkes.
Zum Ensemble gehört außerdem das Jakob-Kaiser-Haus, das seinen Namen dem langjährigen Bundestagsabgeordneten und Mitbegründer der CDU in der Sowjetischen Besatzungszone verdankt.
Der größte und teuerste Neubau des Deutschen Bundestages, soll im Oktober – ebenfalls eineinhalb Jahre verspätet – bezugsfertig sein. Darin haben zwei Drittel der Abgeordneten ihre Büros. Verzögerungen in dieser Größenordnung bringen auch Verteuerungen mit sich. Das Kaiser-Haus wird nach Angaben der Bundestags-Baukommission 22 Prozent und die beiden anderen jeweils 7 Prozent mehr kosten. Letzteres ist für Baukommissons-Vorsitzenden Dietmar Kansy noch im Rahmen des Normalen. Doch mit 22 Prozent über der veranschlagten Summe zu liegen, sei eindeutig zu viel. Da die drei Bauten um den Reichstag immer wieder in die Schlagzeilen gerieten, kamen durchaus bemerkenswerte bauliche Highlights wie das 500 Meter lange unterirdische Erschließungssystem manchmal zu kurz. Durch die Maulwurfgänge wird das gesamte Parlamentsviertel – neben den drei Gebäuden auch der Reichstag – mit Büromaterial und Lebensmitteln versorgt. Durch eine Zu- und Ausfahrt rollen die Fahrzeuge in das vermutlich weltweit einmalige Tunnelsystem. Außerdem können die Parlamentarier dank eines Fußgängertunnels abkürzen und kommen auch bei Regen trocken in den Reichstag und zurück in ihre Büros.
MARION SCHIERZ/DDP
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen