: Busstreik gegen Tarif-Outsourcing
In Münster wehren sich Busfahrer gegen neue Arbeitsverträge. Stadtwerke wollen Einzel- statt Tarifabschlüsse
MÜNSTER taz ■ Seit zwei Wochen streiken in Münster die Busfahrer: Statt alle zehn Minuten fahren die Busse in der Innenstadt nur etwa jede Stunde. Weil 362 FahrerInnen im Ausstand sind, werden die Busse von Praktikanten mit Busführerschein kutschiert.
Jetzt kommt es zum Show-down. Die „Verkehrsservice Gesellschaft Münster“ (VSM) will heute bekannt geben, wie viel ihrer Busfahrer die heftig umstrittenen neuen Verträge unterzeichnet haben, die ihnen geringeren Lohn zugestehen. Gleichzeitig reichen heute die ersten BusfahrerInnen Klage ein, um ihre alten Verträge wiederzubeleben. Nach Angaben der Gewerkschaft Ver.di sind bisher über 200 zur Klage bereit.
Die Fahrer fordern einen für alle gültigen Spartentarifvertrag unter der Bedingung eines bundesweiten Vergabegesetzes. Den sehen sie mit der VSM, einer Ausgründung der kommunalen Stadtwerke seit 1. Juli, nicht gewährleistet. Denn die Streikenden fürchten Lohneinbußen von rund 1.000 Mark im Monat und ein Herausdrängen durch Neueinstellungen. Bei der Überführung in eine neue Firma würden die bisherigen Tarifverträge in Individualverträge umgewandelt. Für Neueinstellungen wären diese Verträge nicht gültig. Die VSM verspricht den jetzigen Beschäftigten Bedingungen wie im Spartentarifvertrag. Die Gewerkschaft aber beharrt auf einem Spartentarifvertrag für alle und auf einem Vergabegesetz.
Der Arbeitskampf hat Pilotcharakter. Befürchtet doch Ver.di, dass derartige Ausgründungen zum Zweck der Tarifaushöhlung Schule machen könnten. Die Gewerkschaft kämpft zusammen mit den Grünen im Rat gegen die Pläne. Die SPD hatte sich zurückgehalten, will inzwischen aber auch die alten Zustände wieder einrichten. Druck macht auch ein Bürgerbegehren, das von Ver.di, PDS und Grünen unterstützt wird. Bis Mitte August müssen 8.500 Unterschriften vorliegen, um den Rat aufzufordern, seine Entscheidung vom Mai zu revidieren. Damals hatte er mit absoluter CDU-Mehrheit der Ausgründung zugestimmt, ohne ein bundesweites Vergabegesetz abzuwarten.
Dieses Gesetz wird wohl kommen. Ende Juni hatte der Bundesrat auf Antrag Nordrhein-Westfalens dafür votiert. Das Gesetz soll bundesweit die Vergabe öffentlicher Aufträge im Bauwesen und im öffentlichen Personennahverkehr an die Einhaltung der jeweils gültigen Tarifverträge binden und Sozialdumping verhindern.
Die Fronten im Streik sind verhärtet. Ver.di wirft der VSM und dem Rat vor, „über den Druck auf die Beschäftigten einen tariflosen Zustand herzustellen“. Werner Overkamp, Geschäftsführer der VMS, wirft der Gewerkschaft „Doppelzüngigkeit“ vor. Sie wolle jetzt die Anwendungsvereinbarung inklusive Fremdvergabequote, die sie mit ausgehandelt habe, nicht unterschreiben. Ohne Ausgründung und unter der Bedingung des Vergabegesetzes hätte Ver.di unterschrieben, kontert Sprecherin Schmidt. MARCUS TERMEER
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