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■ Späte Party: Das Paula-Modersohn- Becker-Museum feiert den 125-einhalbsten Geburtstag seiner Hausheiligen

appy Birthday, Paula!“ Statt im touristenarmen Februar hallen nun sommerliche Glückwünsche durch die Böttcherstraße: Am 8. Februar hatte Paula Modersohn-Becker ihren Hundertfünfundzwanzigsten.

Zur „HBP“-Ausstellung widmet sich das Modersohn-Becker-Museum ausschließlich seiner Namenspatronin PMB. Dazu wurde der Bestand durch umfangreiche Leihgaben ergänzt – viele von ihnen sind erstmals in Bremen zu sehen.

Etliche dieser „Erstlinge“ haben eine lange Odyssee hinter sich, etwa die „Sitzende Bäuerin mit Kind“, die als Handgepäck eines jüdischen Flüchtlings nach England reiste und nun als private Leihgabe zurückgekehrt ist.

„Für uns ist es beglückend, wie sich die Leihgaben in die Sammlung einpassen,“ sagt Rainer Stamm, seit gut einem halben Jahr Direktor des Hauses. In der Tat wurden so Hängungen von Werkgruppen möglich, die PMBs Arbeitsprozess sehr kleinteilig nachvollziehbar machen: Neben dem „Blasenden Mädchen im Birkenwald“ hängt jetzt das „Flöte blasende Mädchen im Birkenwald“, Vorstudien und „Nachschläge“ flankieren bereits bekannte Werke.

Auch die berühmten „Sandkuhlen“ haben sich zu einer kleinen Gruppe zusammengefunden: Landschaften hart an der Grenze zur Monochronie, durchbrochen von einem dunkel schimmernden Mond. Rainer Stamm: „Offenbar sollten die Objekte so trivial wie nur möglich sein, um kompositorische Studien zu ermöglichen.“ In die andere Richtung, möglichst weit weg von der Zweidimensionalität, geht die ebenfalls erstmals in Bremen ausgestellte „Frau mit Kind vor Rosenstrauch“ von 1902: PMB kratzte mit dem Pinselstiel so viel Farbe von der Leinwand, bis der Bilduntergrund wieder durchkam.

Eine andere Ecke der Ausstellung zeigt PMBs Porträt-Arbeiten beziehungsweise die „Knollennasen“, wie Gatte Otto despektierlich zu sagen pflegte. Erstmalig ist hier eine „Bauersfrau in rotem Kleid“ zu sehen, die Paula Modersohn-Becker 1903 in Manier der alten Meister malte: Auf türkisem Hintergrund durchziehen Initialen und Datierung à la Dürer die Bildfläche.

Neben dem Verweis auf PMBs zeitweilige Dürer/Cranach/Holbein-Faszination liefert die „Bauernfrau“ eines der wenigen Beispiele für eigenhändige Werksignierung: Die wurde, gemäß den Gepflogenheiten der Zeit, erst bei Verkauf oder Ausstellung der Bilder fällig – beides waren für PMB sehr seltene Erfolgserlebnisse. In Bremen bremste sie nicht zuletzt das Verdikt von Platzhirsch Artur Fitger, demzufolge sich das „Malermädchen“ aus dem Worpsweder Moor der „Herrschaft der prinzipiellen Hässlichkeit“ unterworfen habe.

Wem diese einstmals erbittert bekämpfte Moderne schon zu viel Patina hat (manche Farbe ist auch im direkten Wortsinn nachgedunkelt), kann sein Interesse den vervollständigten Aktdarstellungen widmen. Neben dem berühmten „Selbstbildnis am sechsten Hochzeitstag“, auf dem PMB ihre Schwangerschaft in zufriedenen Rundungen vorwegnimmt, zeigt die Ausstellung auch etliche Akt-Trouvaillen wie zum Beispiel eine sehr klar gezogene Kohle-Studie, die sich in einem Privathaus in Bremen-Nord fand. Die Akte gehören jedenfalls zu den spannendsten Entdeckungen, die die Geburtstagsshow bietet. Unter dem Titel „Akt und nackt“ setzt sich am 23. August Doris Hansmann aus Köln mit den Selbstakten auseinander.

Angereichert wird die Retrospektive außerdem durch einen Aktualitäts-Check: Ab dem 19. August zeigen zeitgenössische KünstlerInnen ihre Sicht auf Paula. Am selben Tag um 11.30 Uhr wird auch debattiert: Wie fruchtbar ist die Auseinandersetzung mit ihrem Werk für heutige Kreativität? Isolde Loock zumindest, die vor drei Jahren mit ihren Transparenten die Schwachhausener Heerstraße unsicher machte, verspricht optimistisch: „Paula ist Gold wert“. HB

Noch bis zum 7. Oktober di. bis so. von 11 bis 18 Uhr. Jeden Sonntag um 11.30 Uhr findet eine öffentliche Führung statt.

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