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Schily wandert auf die Union zu

In seinem Gesetzentwurf ignoriert der Innenminister Vorschläge der Zuwanderungskommission. SPD-Experte: Schily will „strikt Nachfrage-orientierte Einwanderung“. Trostpflaster für die Grünen: Aufenthaltserlaubnis für nichtstaatlich Verfolgte

von LUKAS WALLRAFF

Nur noch ein paar Tage, dann unterbricht Otto Schily seinen Sommerurlaub und kommt zurück nach Berlin. Früher als erwartet wird der Innenminister seinen Entwurf für ein neues Zuwanderungsgesetz vorstellen.

Man darf davon ausgehen, dass Schily sich auf diesen Auftritt freut. Denn nach all den verschiedenen Parteipapieren und Kommissionsberichten hat er das letzte Wort. Schilys Gesetzentwurf wird zur Grundlage für die Verhandlungen mit der Union – und er wird deutlich von den Vorschlägen der Süssmuth-Kommission abweichen.

„Da werden einige Dinge drinstehen, die Sie von diesem Minister nie erwartet hätten“, kündigte Schilys Parteifreund, Dieter Wiefelspütz, an, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion.

Die Empfehlungen der unabhängigen Zuwanderungskommission werden offenbar das bleiben, was sie sind: Empfehlungen. Egal, was die Expertenrunde in monatelanger Arbeit ausgetüftelt hat: „Das Punktesystem wird in dem Gesetzentwurf nicht drinstehen“, sagte Wiefelspütz der taz. Die Süssmuth-Kommission hatte ein Punktesystem vorgeschlagen, mit dem sich Bewerber auch ohne konkrete Arbeitsplatzangebote für die Einwanderung qualifizieren könnten. Wiefelspütz zufolge kommt ein solches System für den Minister nicht infrage. „Schily will eine strikt Nachfrage-orientierte Einwanderung“.

In dem Gesetzentwurf sei die Einrichtung einer zentralen Bundesbehörde für die künftige Regelung der Einwanderung vorgesehen, sagte Wiefelspütz: „Das wird Nürnberg sein.“ Praktischerweise soll die Behörde also ganz in der Nähe der Bundesanstalt für Arbeit untergebracht werden. Schily wolle das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ausbauen. Die neue Einwanderungszentrale solle in regelmäßigen Abständen festlegen, wie viele Einwanderer Deutschland braucht. „Da kann man sich sehr flexible Regelungen vorstellen“, sagte Wiefelspütz, „ich gehe davon aus, dass das auch sehr regional orientiert ist.“ Die Kontingente sollen sich also nach dem jeweiligen Bedarf in den einzelnen Bundesländern richten. Anders als in dem Bericht der Süssmuth-Kommission würden in dem Gesetzentwurf keine konkreten Zahlen genannt, sagte Wiefelspütz. Die Süssmuth-Kommission hatte vorgeschlagen, 50.000 Arbeitsmigranten pro Jahr die Einwanderung zu ermöglichen.

Mit seiner „strikt Nachfrage-orientierten Einwanderung“ geht Schily auf die Union zu – und ignoriert weiter gehende Forderungen der Grünen. Diese hatten mehrfach betont, dass Deutschland schon allein aus demografischen Gründen mehr Zuwanderung brauche. Die Konzentration auf die Nachfrage des Arbeitsmarkts sei zu eng und kurzsichtig, warnte Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller erst vor wenigen Tagen.

Doch ein kleines Trostpflaster für den kleinen Koalitionspartner hat Schily parat: besseren Schutz für Opfer nichtstaatlicher Verfolgung. Für sie wird Schily eine befristete Aufenthaltserlaubnis vorschlagen – statt wie bisher nur eine Duldung. „Das bedeutet, dass sie integriert werden können und arbeiten dürfen“, betonte Wiefelspütz. Ein möglicher Grund für das Zugeständnis: Auch aus der Union gebe es Signale, eine solche Regelung zu akzeptieren. „Von denen wollen wir uns natürlich nicht links überholen lassen.“

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