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„Fünf nach zwölf“

■ Notstand beim Musikunterricht

Es sei das erste Mal, dass sie so etwas gemacht habe, sagt Prof. Inge-Susann Römhild. Die Rektorin der Musikhochschule Lübeck zeichnet verantwortlich für einen Brandbrief des Senats der Hochschule. „Nach ausführlicher Diskussion“, heißt es da, sehe man sich veranlasst, „auf den Bildungsnotstand im Fach Musik in den allgemeinbildenden Schulen hinzuweisen“. „Insgesamt verliert das Fach an Bedeutung“, so Römhild gegenüber der taz hamburg: Je nach Schultyp betrage der Stundenausfall in Schleswig-Holstein derzeit zwischen 25 und 80 Prozent. „Entscheidet sich ein Gymnasium, Kunst statt Musik anzubieten, gilt der Unterricht zu 100 Prozent als gegeben.“

Gründe dafür sieht Römhild in der abnehmenden Zahl neu ausgebildeter Musiklehrer: „Allerorten sind Klagen zu hören, es fehle am Nachwuchs.“ Doch möglicherweise ist dieser „Grund“ seinerseits als Symptom anzusehen: von einem allgemein unterstellten Bedeutungswandel. Römhild selbst spricht von einer „Generationenfrage“, einer Entwicklung hin zu „Spaßgesellschaft“ und „Eventcharakter“. Dabei haben in den letzten Jahren verschiedene Schulversuche – am bekanntesten ist die Studie des Bildungswissenschaftlers Hans Günther Bastian – gezeigt, welche positiven Effekte kontinuierlicher Musikunterricht auf Sozialverhalten und Lernleistung von Kindern haben können (freilich nicht müssen).

Dass bei der Musiklehrerausbildung seit geraumer Zeit gespart wird, ist bundesweit festzustellen, wovon auch Hamburger Eltern ein Lied singen können (taz hamburg berichtete). Das notorisch finanzschwache Schleswig-Holstein trifft dies aber besonders hart. „Wir appellieren an die Politiker und an alle gesellschaftlichen Gruppen“, heißt es in der Resolution des Hochschulsenats, „sich dieses Problems anzunehmen“. „Es ist“, so Römhild, „eher fünf nach als vor zwölf.“ Alexander Diehl

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