: Ein Konfliktgespräch soll es richten
Mit einer Bundesratsinitiative will Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) die Auswahl der höchsten Richter durchschaubarer machen. Sein Gesetzentwurf ist eine Reaktion auf den Streit um Bundesrichter Nescovic
KARLSRUHE taz ■ Die Wahl der Bundesrichter soll künftig „transparenter und rationaler“ ablaufen. Dies fordert der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP), der gestern in Karlsruhe einen entsprechenden Gesetzentwurf seiner Landesregierung vorstellte.
Anlass für die Initiative sind die Turbulenzen bei der letzten Wahl von Richtern am Bundesgerichtshof (BGH). Damals waren zwei Richter – Wolfgang Nescovic aus Lübeck und Birgit Vezina aus Stuttgart – trotz eines negativen Votums des BGH-Präsidialrats an den BGH gewählt worden. Konservative Kritiker in der Richterschaft werteten dies sofort als rot-grüne Ämterpatronage – wenn auch ohne Belege.
Umgehend hatte Goll damals einen Gesetzentwurf angekündigt, um solche „Missstände“ künftig zu verhindern. Danach sollte der Richterwahlausschuss, dem 16 Mitglieder des Bundestags und alle Landesjustizminister angehören, stets an die fachliche Einschätzung der BGH-Richter gebunden sein sollen. Mit dieser Idee stieß er damals aber auf massive Bedenken, da es in der Demokratie nicht Sache der Richter sein könne, sich ihre Kollegen selbst auszusuchen. Im Fall Nescovic stand der Verdacht im Raum, dass dieser vom BGH vor allem deshalb als „fachlich ungeeignet“ eingestuft worden war, weil er sich für eine liberale Rechtsprechung bei Drogendelikten eingesetzt hatte.
Golls Gesetzentwurf fiel nun auch moderater aus als angekündigt. Er schlägt drei Änderungen vor. So sollen erstens konkrete „Anforderungsprofile“ für die zu besetzenden Positionen erstellt werden. Bisher erfolgt die Wahl im Richterwahlausschuss ebenso wie das Urteil des BGH-Präsidialrats eher nach Gutdünken. Zweitens sollen freie Stellen künftig offen ausgeschrieben werden. Jeder Richter, der sich für geeignet hält, könnte sich dann bewerben. Bisher ist die Unterstützung Wahlausschussmitglieds, also eines Politikers, nötig, um überhaupt auf die Kandidatenliste zu kommen.
Der dritte Vorschlag dürfte am umstrittensten sein. Wenn der Richterwahlausschuss einen Kandidaten wählt, den die BGH-Richter für ungeeignet halten, soll künftig die Bundesjustizministerin vor der endgültigen Ernennung noch einmal mit dem BGH-Präsidialrat reden. Dieses „Konfliktgespräch“ soll aber nur noch einmal „Gelegenheit zum Nachdenken“ geben. Die Ernennung eines unliebsamen Juristen könnten die BGH-Richter auch künftig nicht verhindern.
Der Gesetzentwurf soll im Herbst in den Bundesrat. Er bräuchte aber vor allem eine Mehrheit im Bundestag. Das neue Verfahren würde unter anderem für Bundesgerichtshof und Bundesverwaltungsgericht gelten, nicht aber für das Verfassungsgericht. CHRISTIAN RATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen